2 Einleitung dienwissenschaftler Rolf Großmann erläutert, durch »die Zugehörigkeit zu einem durch spezifische technische Voraussetzungen geprägten Bereich musikalischen Han-dels « (Großmann 1997a: 239) charakterisiert ist.5 Großmann erläutert den Begriff Medienmusik in starker Abhängigkeit zu den sog. Audio-Medien, auf denen Mu-sik fixiert ist. Hier offenbart sich eine Besonderheit von Soundchip-Musik, da sie i. d. R. nicht in aufgenommener Form vorliegt, sondern während des Computer-spielens als Ergebnis einer Prozessierung von Daten in den sog. Soundchips über Lautsprecher ausgegeben wird.6 Ohne eine grundlegende Beschreibung der techni-schen Voraussetzungen wie der spezifischen Medienrealität von Soundchip-Musik kann eine Analyse des Phänomens also kaum zu einem Erkenntnisgewinn führen: »Gerade für ein Verständnis, für systematische Beschreibung und Analyse von medienmusikalischen Vorgängen führt eine allein auf Klangstrukturen oder deren kompositorische Regeln ausgerichtete Theoriebildung in eine Sackgasse. Klangstrukturen müssen zwar auch dort untersucht werden, ein neuer Fokus kann jedoch erst dann sinnvoll auf diese gerichtet werden, wenn zumindest die Grundbedingungen ihrer spezifischen Existenz in der [. . . ] ›Medienrealität‹ geklärt sind« (Großmann 1997b: 65, Hervorh. i. O.). Aus dem Antrieb heraus, die Grundbedingungen von Soundchip-Musik im Sinne der spezifischen Medienrealität umfassend darstellen zu wollen, soll die vorliegen-de Arbeit mit einer recht detaillierten Vorstellung der verschiedenen Soundchips beginnen. Diese Vorstellung setzt ein umfassendes Vorwissen aus dem Bereich der elektronischen Klangerzeugung voraus: musikwissenschaftliche Fachbegriffe insbe-sondere der elektronischen Klangsynthese wie Oszillator, LFO, Hüllkurve, Ringmo-dulation etc. werden nicht weiter erklärt.7 Gleichzeitig wird auch im Hinblick auf den Umfang der Arbeit eine Selektion vorgenommen. So werden jene Soundchips sehr viel ausführlicher beschrieben, die einen größeren Einfluss auf die populäre Soundchip-Musik genommen haben,8 als jene, die den Übergang zu neueren Ver-fahren derMusik- und Klangerzeugung in Computerspielplattformen (FM-Synthese und Digital Audio) markieren. Den zeitlichen Rahmen markiert das Aufkommen der ersten programmierbaren Heimkonsole, das Atari VCS (1977) sowie die breite Implementierung von Sampling in CD-Qualität durch die CD-ROM-Technologie, welche spätestens mit der Sony Playstation (1994) für Computerspiele zum Standard wurde. Durchgängige Computerspielmusik wird indes erst ab Anfang der 1980er Jahre in den Spielen implementiert. Die Medienrealität von Soundchip-Musik für Computerspiele umfasst neben den technischen Voraussetzungen selbstverständlich auch ihre Anwendung im jeweiligen Spiel. Daher schließt sich eine Auseinandersetzung mit der funktionellen Einbin-dung von Musik und Klang im Rahmen interaktiver Spiele und mit den daraus 5 Unter Soundchip-Musik soll grundsätzlich jene Musik verstanden werden, die ganz oder teil-weise von der Klangerzeugung von Soundchips (Kapitel 2) abhängt. 6 Ebenso verhält es sich mit den relativ neuen, auf der Emulation von Soundchips basieren-den Playern und PlugIns, welche die als Dateien gespeicherten, aus den Spielen extrahierten Musikdaten wiedergeben. 7 Wenig in der Materie der elektronischen Klangerzeugung versierten Lesern sei daher die Lek-türe von z. B. Ruschkowski 1998 (insb. S.149ff) empfohlen. 8 Unter »populärer Soundchip-Musik« wird diejenige verstanden, die im Rahmen der populären elektronischen Musik auf Basis der »Sound Culture« von Soundchip-Musik entsteht (vgl. Kapitel 4).