34 Technische Voraussetzungen: Soundchips Der Game Boy ist für die Soundchip-Musik von Computerspielen aufgrund der großen Verbreitung und dem langen Lebenszyklus von über zehn Jahren als überaus wichtig einzustufen. Mit der großen Zahl von Konvertierungen klassischer Computerspiele wurde auch die klassische Soundchip-Musik weiter portiert, wobei die Eigenheiten der beschränkten Klangerzeugung und damit sein »Sound« einer ebenso großen Verbreitung unterliegen. Der Game Boy hat darüber hinaus ab Ende der 1990er Jahre durch spezielle Software für die populäre Soundchip-Musik eine große Bedeutung als Klangerzeuger erlangt (vgl. Kap. 4.2). 2.4 Die Bedeutung der PSGs für Soundchip-Musik Die besprochenen PSG-Soundchips haben in Abgrenzung zu den ihnen folgenden, auf den Technologien FM-Synthese und Sampling basierenden Chips ab Mitte der 1980er Jahre einen durch die reduzierten technischen Möglichkeiten der Klangerzeu-gung bedingten Eigenklang, der sich durch die Verwendung einfacher Wellenformen und das Fehlen von aufwendigen Möglichkeiten der Klangmanipulation auszeichnet. Für die in der »Sound Culture« von Computerspielmusik entstehenden Musikgen-res populärer Soundchip-Musik (vgl. Kapitel 4) sind aus heutiger Sicht vor allem Nes, C64 und Game Boy als Klangerzeuger von Bedeutung. Auch der AY-Chip bzw. YM 2149 ist durch seinen massenhaften Einsatz in zahlreichen Computerspiel-systemen und Heimcomputern wie dem Atari St für Soundchip-Musik ein häufig genutzter Klangerzeuger. AY bzw. YM-Musik ist jedoch weniger bekannt als z. B. Musik für den SID-Chip. Einige Musiker verwenden auch den Commodore VIC und selbst das Atari VCS für die sog. Chiptunes. C64, Nes und Game Boy be-sitzen jedoch den größten ›Kultstatus‹, was auch an ihrer großen Verbreitung und der breiten Rezeption der für sie produzierten Software liegen mag. Dem SID wird sowohl bei der Betrachtung von Computerspielmusik als auch dem Phänomen der Chiptunes besondere Aufmerksamkeit geschenkt, da der C64 für eine Generation von Computernutzern in Deutschland und Europa den ersten Kontakt mit dem Computer markiert. Eine große Zahl an Fan-Webseiten und die noch bis heutzutage aktive Demo-Szene belegen dies.59 Gerade die weite Verbreitung des C64 verbunden mit den für damalige Verhältnisse überragenden Möglichkeiten der zu Experimenten einladenden Klangerzeugung führten dazu, dass die Komposition von Musikdateien für Soundchips nicht allein den Ingenieuren bzw. Programmierern der Spieleherstellern vorbehalten blieb. Viele an Synthesizern interessierte Nutzer erstehen einen C64 gerade wegen sei-nes Soundchips. Commodore bewirbt von Anfang an offensiv die Möglichkeiten des integrierten Synthesizers und eine Reihe von spezialisierter Literatur zur Pro-grammierung von Sound und Musik in BASIC erscheint in den Folgejahren.60 Dem 59 Unter Demo-Szene versteht man eine ab Mitte der 1980er Jahre aus der sog. Hacking- und Cracking-Szene hervorgegangene Bewegung, die in Gruppen organisiert möglichst eindrucks-volle Demos (audiovisuelle Demonstrations-Programme) für Computer programmiert (vgl. Tasajärvi 2004a). Über diese wird auf Partys mit anderen Demo-Groups in Konkurrenz ge-treten, eine bestimmte Datei-Größe darf dabei je nach ›Disziplin‹ nicht überschritten werden. Für Demo-Programmierung ist das Ziel also ebenso wie bei der Programmierung von Compu-terspielen ein im Rahmen der technischen Möglichkeiten optimiertes audiovisuelles Ergebnis zu erreichen.