3.2 Eine Typisierung der verschiedenen Spielmusiken 71 deten Liedsätze zunimmt. Wie Belinkie bemerkt, ist das Bestehen der Musik in den Ohren der Konsumenten angesichts einer häufig stundenlangen Repetition ein Hauptmerkmal für die Qualität einer Hintergrundmusik: »The true test of game music is, whether a player can still stand a simple theme after hearing it repeated for an hour or more« (Belinkie 1999: o. S.). Dass daher solche Stücke mit ›Ohrwurmqualität‹ immer wieder als ›gute‹ Spiel-musik zitiert werden, erscheint naheliegend. Zwischen Qualität des Spiels und Qua-lität der Hintergrundmusik lässt sich jedoch keine zwingende Verbindung herstellen. Gleichzeitig konnte das musikalische Thema von Super Mario Bros. (n019) auf dem Nes bei einer unrepräsentativen Befragung Belinkies unter amerikanischen College-Studenten von 66% der Studenten gesummt werden, auch wenn sie das Spiel seit Jahren nicht mehr gespielt hatten. Pidkameny bemerkt: »[I]f Koji Kondo [der Komponist des Super Mario Bros. Themas, N.D.] had written the ›Mario Theme‹ for a game of poor quality, the music would never have been remembered« (Pidkameny 2002: o. S.). Diese Feststellung unterstreicht den großenWiedererkennungswert eines Spieleklas-sikers mittels der gehörten Musik.18 Ab Mitte der 1980er Jahre werden für verschiedene Level bzw. Welten in Com-puterspielen distinktive Hintergrundmusiken komponiert. Super Mario Bros. ist eines der ersten und bekanntesten Beispiele dieser Entwicklung. Neben dem Thema der Oberwelt (n019) gibt es ein Thema für die durch Röhren erreichbare Unterwelt (n024), ein Thema für die Unterwasser-Welt (n025) und eines für das finale Level (n026), der Burg des Endgegners (vgl. Whalen 2004). All diese The-men stellen also Hintergrundmusiken dar, die im Spiel einer bestimmten Örtlichkeit entsprechen. Mit einer eigenen Hintergrundmusik gekennzeichnet werden auch die Boss-Stages/-Level genannten Kämpfe mit im Spiel vorhandenen (Zwischen-) End-gegnern (Boss-Musik). Die Musik, welche bei Erreichen eines Bonuslevels oder durch Aufsammeln be-stimmter Items mit entsprechenden Belohnungen für den Spieler abgespielt wird,19 stellt die Bonusrunden-Musik dar. Diese erklingt für eine gewisse Zeit (häu-fig verbunden mit einer temporären Unverwundbarkeit der Spielfigur) anstelle der Hintergrundmusik. Je nach Umfang des jeweiligen Titels gibt es verschiedene Bo-nusrunden pro Spiel, die teilweise mit Ortswechseln der Spielfigur verbunden sind. Häufig erklingen auch kurze musikalische Boni beim erfolgreichen Abschließen eines Levels, wie eine triumphale Fanfare oder eine die ständige Wiederholung des The-mas der Hintergrundmusik beendende Schlusskadenz (Level Complete-Musik). Für einen Wechsel der Hintergrundmusik werden in Spielen also die game states in Bezug auf Örtlichkeit und Fortschritt im Spiel abgefragt. Variationen der Hin-tergrundmusik können z. B. von states wie Zeitlimit oder Gesundheitszustand 17 Eine Ausnahme im Kanon der Soundchipmusik markiert die über 16 Minuten lange, von Rob Hubbard für den SID komponierte Hintergrundmusik zu Knuckle Busters (Melbourne House, 1986; n023). 18 Ähnlich populär sind je nach Alter und Herkunft der Rezipienten Spielmusiken wie die Themen von Bubble Bobble, Rainbow Islands (Taito, 1987), Giana Sisters oder Turrican II. 19 ›Items‹ bezeichnen aufzusammelnde Bonusgegenstände in Computerspielen.