3.3 Strategien der Gestaltung im Spiegel der technischen Limitierungen 91 den alle C64-Musiker benutzt haben und auch eine der ersten Sachen, die ich rausgetüftelt hatte mit meiner Soundroutine.« (Hülsbeck 2005a). Die frühen, über die beschriebene Modulation der Lautstärke-Register erreichten Tweaks, um Samples wiedergeben zu können stellen erste Ansätze dar, die Be-schränkungen der Klangfarbe zu überwinden. Dieses Verfahren des 4 Bit-Sample- Playbacks besitzt eine eigene Klangcharakteristik, die auf der nach heutigen Maß-stäben mangelhaften Auflösung und Quantisierung basiert.51 Sowohl FM-Synthese als auch die zeitlich parallel stattfindende Integration des Samplings in Computerspielsystemen (vor allem in SNes und Amiga) sorgen für die Aufweichung der genuinen Klanglichkeit von Soundchip-Musik, da beide Ver-fahren die Verwendung einer breiten Palette von verschiedenen Klangfarben er-möglichen. Die Integration von FM-Chips ab Mitte der 1980er sowohl in Aracade- Automaten, als auch in Videokonsolen wie dem Sega Mega Drive und den PC-Soundkarten bietet eine neue, eigene Klanglichkeit, die sich vom PSG-Sound abhebt und erstmals Klänge erzeugt, bei denen eine gewisse Instrumentengruppe als Re-ferenz dienen kann (wie z. B. Streicher, Bläser, Piano etc.). Die Einführung des Samplings auf Amiga und SNes läutet die Befreiung der Computerspielmusik von den vorher streng limitierten Klangfarben ein. Die genuinen Klangfarben der frühen PSGs und die aus ihnen entstehende Klang-ästhetik52 werden somit als klangliche Referenzen im Sinne einer »Sound Culture« der Soundchip- oder Computerspielmusik wahrgenommen.53 Mit Aufkommen der auf Sampling und FM-Synthese basierenden Plattformen bleiben die gestalterischen Paradigmen von Computerspielmusik (kurze, wiederholte, melodiebetonte Stücke mit Ohrwurmqualität sowie deren Aufteilung in formale Sinnzusammenhänge, den verschiedenen game states entsprechend) zwar zunächst erhalten, dieses Phäno-men kann jedoch auch im Spiegel der vorerst gleichbleibenden gestalterischen Pa-radigmen der jeweiligen Spielkonzepte erklärt werden. In der 16 Bit-Ära bleiben die Spielkonzepte grundsätzlich dieselben, auch auf den FM-Soundchips erklingen daher weiterhin kurze, sich wiederholende Themen. Ein Beispiel für eine solche Ad-aption ist die auf FM-Synthese basierende Hintergrundmusik des Plattformspiels Bubble Bobble (YM 2203 & YM 3526; n042) sowie dessen Nachfolger Rainbow Islands (YM 2151; n050). Ebenfalls interessant im Hinblick auf die fortschreitende Entwicklung der Klangerzeugung ist das Aufgreifen von Melodien der Vorgänger in populären Spielserien. Ein Beispiel stellen die Konvertierungen des Super Mario Bros.-Themas auf das SNes (Super Mario Allstars (Nintendo, 1993); n051) sowie auf Ga-mecube (als Hintergrundmusik der Plattform-Level in Super Mario Sunshine 51 Die beschriebene Technik wurde bei allen PSGs angewendet. Allein für SID- und AY-Chip sind jedoch Beispiele bekannt, bei der während der Wiedergabe von Samples ebenso die Klang-kanäle klingen. 52 Die Wellenformen der PSGs klingen verglichen mit denen von analogen Synthesizern deutlich ›digital‹. 53 Der Begriff »Sound Culture« bezeichnet an dieser Stelle die Identifikation eines gesamten Musikgenres durch eine bestimmte Klanglichkeit, die jedoch nicht allein auf Klangfarben be-schränkt bleiben muss, sondern auch von formalen oder strukturellen Merkmalen innerhalb der Musik ausgehen kann. Wichtig hierbei ist die Bedeutung des Klangs als formal-ästhetisches Charakteristikum (vgl. Büsser 1996: 6f). Vgl. auch Kapitel 4.1