4.1 Sound Culture 107 4.1 Sound Culture Die Konzeption einer »Sound Culture« der auf Soundchips basierenden Computer-spielmusik folgt der Annahme, dass Soundchip-Musik vor allem aufgrund ihres »Sounds« wegen von anderen Stilen elektronischer Musik abgegrenzt werden kann. »Sound« ist nach Büsser (1996: 6) für Popmusik mit Zunahme der technischen Mög-lichkeiten ein immer umfassenderes, für Stücke, Künstler und selbst Genres identi-tätsstiftendes Charakteristikum geworden. Der Begriff »Sound Culture« kennzeich-net ihm zufolge den stattgefundenen Paradigmenwechsel in Musikproduktion wie -rezeption ab Anfang der 1960er Jahre und umfasst die Suche nach neuen Klang-quellen abseits des traditionellen Instrumentariums sowie die Abwendung von der herkömmlichen Notation (Büsser 1996: 7f). Gleichzeitig gewinnt »Sound« gegen-über anderen musikalischen Parametern an Bedeutung. Da der »Sound« von Musik vor allem von einer technologischen (Auf-)Bereitung eines Eingangssignal und die Fixierung dessen auf einem Audio-Medium bedingt wird, ist die Nähe der »Sound Culture« zum Konzept der Medienmusik augenscheinlich. Um das Verbinden von »Sounds« mit beliebigen Bedeutungen zu umschreiben, bietet sich der von Jochen Bonz geprägte Begriff der »Sound Signature« an, der von ihm wie folgt charakterisiert wird: »Die Sound Signature ist ein Konzept der verbindlichen Bezugnahme. Indem sie massiv auf einen Kontext verweist, trifft sie zunächst keine Aussage, son-dern gibt Auskunft über den Ort, an dem die Aussage entsteht. Im Sound der Signatur liegen die Informationen über den Rahmen der unmittelbaren Relevanz ihrer Rede; er zeigt die Landschaft, die Umgebung des Ortes. Die-ses Eingeständnis ihrer Abhängigkeit löst die Aussage sogleich ein Stück weit aus ihrer Abhängigkeit heraus. Denn die als kontextabhängig gekennzeichnete Vorstellung gewinnt nun jenseits ihres eigentlichen Kontextes an Verständ-lichkeit. « (Bonz 2001: 15f) Die Signatur eines Sounds verweist also bei der Rezeption auf dessen Herkunft und sorgt gleichzeitig dafür, dass sein eigener Ursprungsort besser verstanden wer-den kann. Daher sind »Sound Signatures« grundsätzlich vom Hören abhängig, da nur der jeweilige Hörer individuell den Verweis auf die Herkunft des Klangs deuten kann oder nicht. Aufgrund der eher auf Produktion und Produktionskul-tur, weniger auf Rezeption fokussierten Analyse soll an dieser Stelle primär die »Sound Culture« von Soundchip-Musik betrachtet werden. Ihre »Sound Signatu-res « sind dennoch für die hier beschriebenen Phänomene nicht uninteressant, ver-weisen sie doch auch nach der erfolgten »Emanzipation« der Soundchip-Musik von ihrer Verwendung in Computerspielen weiterhin auf ihren Herkunftsort. Dieser liegt in 8 Bit-Hardwareumgebungen und damit in letzter Konsequenz im Klang der ent-sprechenden Computerspiele. »Sound Signatures« sind somit für die Rezipienten und Mediennutzergruppen von großer Bedeutung. Die Klanglichkeit von Soundchip-Musik ist, wie in den vorigen Kapiteln erläu-tert, nicht nur mit den Klangerzeugern sondern auch mit anderen technischen Be-schränkungen der jeweiligen Hardwareplattform eng verwoben. Formale Eigenar-ten schreiben den »Sound« von Soundchip-Musik ebenso mit wie die Verfahren ihrer Klangerzeugung. Häufig verwendete, formale musikalische Figuren in Com-