116 Populäre Soundchip-Musik Chiptunes werden häufig in eigenen Dateiformaten für die jeweiligen Soundchips bzw. den auf Emulation beruhenden Playern publiziert.39 Die Künstler der sich mittlerweile entwickelten ›New School‹ von Chiptunes verwenden die Soundchips in einem weniger auf authentische Hardware und 8 Bit- Programmierung fokussierten Kontext, um moderne Musik, oder solche, die nicht unbedingt zeitgenössisch auf Heimcomputern zu finden war, zu komponieren. So finden sich zum Beispiel dem Reggae ähnliche oder ›jazzige‹ Arrangements bei Künstlern wie »Goto 80« (»Ajvar Relish«; n098) und »YMCK« (»Pow*Pow«; n099), die in ihrer musikalischen Offenheit und der Verwendung von auch ande-ren Klangquellen nicht mehr dem rigiden Anforderungen der genuinen Chiptunes entsprechen. So verwundert es nicht, dass derartige Projekte aufgrund des häufig verwendeten Gesangs und den ›fremden‹ Klangquellen von rigorosen Chiptunes- Anhängern als ›Lamer‹ abgelehnt werden. 4.5 Micromusic »Low tech music for high tech people« heißt es bereits im Untertitel der 1999 vom ehemaligen etoy-Mitglied Carl gegründete Micromusic.net-Webseite. Der Fo-kus bei Micromusic liegt weniger auf der Produktion möglichst ›authentischer‹ Soundchip-Musik, sondern vielmehr auf der Klangästhetik von 8 Bit- und anderen ›lofi‹-Klangquellen.40 Es werden also ebenso Heimcomputer und Spielkonsolen wie auch Personal Keyboards oder Plastikspielzeug als Klangerzeuger verwendet.41 Sie ist somit grundsätzlich von einem Nebeneinander verschiedener Klangerzeuger ge-prägt. Ihre Nähe zu Computerspielmusik ist damit weniger offensichtlich als bei Chiptunes. Auf der Micromusic-Webseite ist die verfügbare Musik mittels der Attribute ›funky, sporty, relaxy, lovely, worky, spooky, fucky, sexy‹ und ›no style‹ sortiert, das Micro-Level des Users (ein mit Rollenspielen oder Internet-Foren vergleichba-res Erfahrungspunktesystem) bestimmt, wie umfassend der Zugriff auf die in der Micromusic-Datenbank gespeicherten MP3-Dateien ist. Damit die auf der Seite verfügbare Musik einer gewissen Klammer in Bezug auf Klanglichkeit und Qua-lität entspricht, werden hochgeladene Tracks in einem »quality filtering system« selektiert. Historisch gesehen lässt sich Micromusic u.a. aus den Chiptunes ableiten, deren Klangerzeuger erst durch die vorgestellte Entwicklung in der digitalen Musikpro-duktion verfügbar wurden. Daneben wirken verschiedene andere Einflüsse auf sie ein. So ist grundsätzlich die Popmusik der 1980er und 1990er Jahre zu nennen, 39 Neben den verschiedenen MOD-Formaten existieren z. B. das SID-, AY-, YM- und NSF-Format für die Musikdaten der jeweiligen entsprechenden Soundchips (SID, AY-Chip, YM 2149 und 2A03; s. auch Fußnote 9 dieses Kapitels). 40 Der Begriff »lofi« bedeutet low fidelity und ist somit vor allem als Abgrenzung zum Hifi (high fidelity)-Sound zu sehen. 41 Eine interessante Sammlung verschiedener Spielzeuge mit Bewertung für die Verwen-dung in Micromusic findet sich unter http://users.informatik.haw-hamburg.de/~windle_c/TableHooters/instruments.html (18.07.2005).