121 Eine erste Betrachtung der Komposition und Programmierung von Computerspiel-musik wurde in Kapitel 3 geleistet, aus welcher auch das Hauptfazit der Arbeit zu ziehen ist, nämlich die Abhängigkeit ihrer Medienrealität von der Einwirkung der limitierten Technologie und funktionalen Notwendigkeiten. Diese nehmen auf den kompositorischen Prozess und damit das musikalisches Ergebnis gehörigen Ein-fluss. Michael Pummell bemerkt zu dieser mittlerweile obsoleten Technologie im Vergleich zur Entwicklung für die Musik in Computerspielen nach 1994:3 »The thing about that older technology: it had limitations. They [die Sound-chips, N.D.] gave you limitations and spelled it right out. Here is what you have to work with, make the best of it. And that’s what we don’t have now. We don’t have any restrictions now. [. . . ] In a way it’s good, we don’t have boundaries any more, we can do anything we want, but on a downside, it has had a negative impact on compositional techniques. Because you need to define boundaries on a composition. That technology that you are talking about, that generation, gave us those boundaries. You could be a good com-poser but if you didn’t know what you’re doing musically, there’s no way you could maintain anyone’s interest beyond three minutes« (Pummell 2005) Ein kompositorischer Wert von Soundchip-Musik, der gleichzeitig auch ihre Quali-tät darstellt, lässt sich ihm zufolge also aus dem Umgang mit der limitierten Tech-nologie ableiten. Auch wenn diese Perspektive nicht grundsätzlich romantisierbar ist. Chris Hülsbeck z. B. bewertet die technologische Entwicklung hin zu Samp-ling und Redbook-Audio positiv, wenn sich auch bei ihm ein Gefühl der Nostalgie einstellt: »Das finde ich natürlich grundsätzlich positiv, weil man sich nicht mehr un-bedingt mit den Bits und Bytes rumschlagen muss. Es hat alles seinen Reiz aber irgendwann wird das auch langweilig und mühsam und das ist ein Grund, warum ich mir die alten Zeiten nicht unbedingt zurückwünsche. Auf der an-deren Seite hat aber eben auch diese Chipmusik und diese ganze Ära eine bestimmte [. . . ] Ästhetik, die verloren gegangen ist. Eine Verspieltheit oder so, die einem teilweise heutzutage fehlt. Es gibt zum Beispiel nix, was klingt wie ein C64. Da gibt es nichts vergleichbares« (Hülsbeck 2005a). Die Einzigartigkeit der in PSG-Soundchips enthaltenen Klangerzeugung, welche in Form der »Sound Culture« aufgegriffen und fortgesetzt wird, markiert einen weiteren nicht zu unterschätzenden Aspekt für das medienmusikalische Phänomen von Soundchip-Musik, der wiederum stark mit den technischen Limitierungen und somit ihrer Medienrealität zusammenhängt. Die Verschränkung von Technologie und musikalischer Form markiert somit die wichtigste Eigenart von Soundchip-Musik, die sie gegenüber anderen Musikgenres auszeichnet und abgrenzt und auf die sich alle ihrer angesprochenen Eigenheiten immer wieder zurückführen lassen. Diese treten am offensichtlichsten in der klang-lichen und kompositorischen ›Armut‹ v. a. der frühen Computerspielmusik hervor, lassen sich jedoch ebenso deutlich in den Strategien der Gestaltung finden. 3 Diese ist von der Implementierung von streamed bzw. Redbook-Audio und der damit ver-bundenen Befreiung der Komponisten/Programmierer von den vorher rigiden Limitierungen geprägt.