Recht bald nach der Gutenberg-Erfindung begann man mit dem Musiknotendruck
(der älteste nachgewiesene Druck stammt aus dem Jahre 1473, allerdings noch ohne
Linien). Der Notenstich wurde schon Ende des 16. Jh. gebräuchlich.
Seit der Erfindung des Buchdrucks entwickelten sich die Kulturtechniken, das Lesen, Schreiben, Rechnen (leider nicht im gleichen Maße das Notenlesen), ohne die unsere Vorstellung von Bildung und Ausbildung kaum noch denkbar ist. Zwar ist die Sprache älter als die Schrift, aber spätestens mit der Einführung allgemeinbildender Schulen prägt die Schrift unser Denken und beeinflußt unsere Sprache so wie die Notenschrift sich auf das Komponieren auswirkt. Aufgrund der Selbstverständlichkeit des Zusammenhangs zwischen Schriftzeichen und Sprach- oder Instrumentalklang übersehen wir leicht den immensen Einfluß der zugrundeliegenden Codesysteme auf unser Denken und Handeln. Bücher in Bibliotheken normalerweise nebeneinander aufgereiht, nach Themenkomplexen oder Funktion (z. B. Lexika) geordnet, so daß der interessierte Leser die Hierarchie oder Ordnungsstruktur des Archivs begreifen, sich körperlich zwischen den Regalen bewegen und in den Büchern selbst blättern muß, um die gesuchten Informationen zu erhalten. Ein ähnlich gravierender Wandel der Informationsvermittlung wurde erst wieder in unserem Jahrhundert durch die Einführung der elektronischen und elektrooptischen Medien, also von Radio, Film und vor allem Fernsehen herbeigeführt. Mit diesen Medien wurde erstmals die Speicherung und Übertragung von bewegten Bildern und Ton möglich. Ein Konzert war vor der Erfindung der Schallspeicher notwendigerweise zeit- und ortsgebunden, blieb temporär und hinterließ einen flüchtigen Eindruck von der Interpretation. Das Musikerlebnis änderte sich vollkommen, als es durch Grammophon und Radiofunk überall und jederzeit herzustellen war. Film, Schallplatte und Tonband veränderten unsere Gesellschaft, unsere Kultur, unser Musikleben von Grund auf. Olaf Zimmermann: „Die Entwicklung von Kunst und Kultur steht immer schon in enger Wechselwirkung mit den technologischen Möglichkeiten und Verbreitungsformen. Verbesserungen in der Technik von Instrumenten haben in der Musik zu neuen künstlerischen Ausdrucksformen geführt. Die Möglichkeiten des Einsatzes von elektrischem Licht haben das Theater ebenso verändert wie die Erfindung der Drehbühne. Die Erfindung der Buchdruckkunst hat nicht nur die Verbreitungsmöglichkeiten von Literatur vergrößert, sie hat ebenso auf literarische Ausdrucksformen Einfluß gehabt.“3
Jetzt haben wir es mit einer neuen Revolution der Informationsvermittlung zu tun, mit den Möglichkeiten der digitalen Datenverarbeitung, mit globaler Verschickung von Daten per Internet und mit neuen Formen des Umgangs mit digitaler Information, vom interaktiven Zugriff auf Computerbasis bis hin zur virtuellen Musikbibliothek. Die globalen Informations- und Kommunikationstechniken, verkörpert vor allem durch Computer und Internet, stellen in gewisser Weise die ursprüngliche Situation der Einzigartigkeit eines in Stein gemeißelten Schriftstücks wieder her: ein Informationsobjekt muß nur einmal vorhanden sein, aber es werden virtuelle Zuschauer- bzw. Zuhörerplätze für viele Interessenten geschaffen. Man wohnt einem Event irgendwo in der Welt bei, z. B. dem KlangArt-Kongreß 1999, man schaut in ein Buch |