b. Marsch, Deformation und negatives Ende in der Sechsten Symphonie Die Untersuchung der Sechsten Symphonie unter der Fragestellung, ob ihr Vorahnungen politischer Katastrophen innewohnen, hat – in Anknüpfung an die Zitate in Kapitel Ia – von den Argumentationen auszugehen, in denen dieses postuliert wurde. Adorno kommt in seinem Mahler-Buch an 35 Stellen auf die Sechste Symphonie zu sprechen. Danach behandelt er sie noch je einmal in der Wiener Rede und in den Epilogema. An weiteren Stellen mag sie implizit mitgemeint sein, wird aber nicht explizit genannt, so daß diese Stellen für eine Auseinandersetzung nicht herangezogen werden können. In den meisten Fällen geht er auf einzelne Sätze ein.79 Adorno, Mahler, Erster Satz: S. 51, 60, 124f, 130, 163f, 168, 209; Scherzo: S. 14, 114f, 140; Andante moderato: S. 120, 142; Vierter Satz: S. 61, 73, 74, 110, 115, 125–128, 131–136, 164, 165f, 177f, 181, 201; Adorno, Wiener Rede (Gesammelte Schriften Bd. 16, S. 323) Epilogema (ebd. S. 343f). |
Die Symphonie als Gesamtheit behandelt er unter Aspekten von Harmonik und Instrumentation.80 Harmonik: S. 42, 43, 74, 146, 153. Instrumentation: S. 75, 154. |
Schließlich äußert er sich noch zur umstrittenen Frage der Reihenfolge der beiden Mittelsätze81 , zum Motto82 und postuliert – jedoch ohne nähere Beweisführung – einen Bezug der Symphonie zum Wunderhorn-Lied Revelge83 In der »Notiz« zur 2. Ausgabe 1963, S. 226. |
. In 14 dieser insgesamt 35 Passagen unterstützt er seine Grundsicht des Werkes, indem er musikalische Sachverhalte unmittelbar oder mittelbar mit Vorstellungen von kriegerischer Vernichtung verbindet. Die anderen Passagen behandeln vorrangig formimmanente Aspekte. Am ersten Satz stellt er in jener Hinsicht vor allem den Marschrhythmus heraus, den »blinden und gewalttätigen Marsch«, die »Extreme des kollektiven Zuges der Masse«, das »Zertrampeln«84 . An einer »brutal dazwischenfahrenden Stelle« (bei Ziffer 37) hört er den »Überfall des Abscheulichen« und erkennt darin Negativität85 . Ferner sieht er den Satz angeregt von der Idee des Tragischen und von Mahlers Weltschmerz86 . Im Scherzo nimmt er in der thematisch unerbittlichen Starrheit das Bedrohliche, »durch Masse Erdrückende«87 wahr. Während das Andante keine diesbezügliche Deutung erfährt, geht Adorno an sieben Stellen auf das Finale ein. Zunächst nennt er die Nähe zur Militärmusik: das »Elektrisierende« der Militärkapellen zeige sich in den Trillern der Allegro-Exposition (2 Takte nach Ziffer 111)88 . Fünf Passagen befassen sich mit dem Schluß des Satzes, der sogenannten Katastrophe. Darin zeigt sich nach Adorno Negativität89 , die Zerstörung des affirmativen Scheins90 . Es heißt bei Adorno:
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