- 115 -Homann, Rainer: Die Partitur als Regiebuch 
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jedoch verständlich bleiben. Dieser Wesenszug des Musiktheaters macht den Kunstcharakter im Sinne eines dem Idealismus verpflichteten Kunstbegriffs aus.138
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vgl. dazu Kap. 2.1.2. der vorliegenden Arbeit: »Felsensteins Humanismus«
Deswegen war Felsenstein bei jedem Stück, das er inszenierte, auf der Suche nach seiner richtigen Form der Darstellung. Die Wirklichkeit in einer übersteigerten Kunstwelt zu transzendieren, verbürgte für ihn den Kunstcharakter. Dass er dies keineswegs nur so verstand, eine ideale Wirklichkeit vorzuspiegeln, sondern mit den Mitteln der Kunst – also mit einer stilisierten Wirklichkeit – Wirklichkeit darstellen und sie kritisieren wollte, zeigen insbesondere seine Offenbach-Verfilmungen. Insofern begründet sich Felsensteins Abgrenzung vom Naturalismus auf der einen und von Abstraktionen auf der anderen Seite aus seiner Auffassung von Theater. Er sah sich dem künstlerischen Auftrag, den Zuschauer mittels Kunst zur Moral zu erziehen, verpflichtet. Bezüglich der Frage nach Stilisierung hat sich Felsenstein in einer Diskussion anlässlich eines Gastspieles von ›Othello‹ und dem ›Füchslein‹ in Prag unmissverständlich ausgesprochen:

»Ich bin aber mit jeder Stilisierung einverstanden, die reale Menschendarstellung gestattet und sich mit ihr verbindet. Insofern gibt es also gar keine obere oder untere Grenze der Stilisierung und der Realität, denn jedes Theatererlebnis ist nur möglich in der Überhöhung des poetischen Gleichnisses. Das poetische Gleichnis im Sinn einer menschlichen Aussage kann weder zustandekommen bei einer naturalistischen Darstellung, noch kann es zustandekommen bei einer abstrakten Inszenierung. Aber Stilisierung bedeutet noch nicht Abstraktion.«139

139
zit. nach: Jahrbuch der Komischen Oper II, Henschelverlag, Berlin 1962, S. 135f.

3.4.1.  Die Darstellungsform in Felsensteins ›Füchslein‹-Verfilmung

Die auf komplexe Art und Weise stilisierte Darstellung, die Felsenstein für das ›Schlaue Füchslein‹ als notwendig erachtete, soll im Folgenden genauer beleuchtet werden. Daran wird deutlich, dass es ein Missverständnis ist, seine Inszenierung für naturalistisch zu halten. Das Stück verlangt die Darstellung zweier Welten, der Tierwelt im Wald und der Menschenwelt beim Förster und in der Schenke.

3.4.1.1 Der Wald

Für die Waldszenen hat Rudolf Heinrich eine »poetische, aber präzise Wirklichkeit« schaffen müssen, »in der Tiere und Menschen nebeneinander möglich sein müssen«.140

140
Heinrich, Rudolf: Es schien ein Märchen, eine Fabel, zit. nach: Kobàn (1997), S. 179ff.
Nachdem ›das Vertrauen zu den alten, rein malerischen Theatermitteln zerstört‹ ist, erwägte Heinrich, angesichts der »›Konkurrenzangst‹ vor der Vollkommenheit der Natur . . . , die Dinge nur in einer verständlichen Formsprache ›anzudeuten‹, in der Hoffnung, die Zuschauer ergänzten sich die nötigen Einzelheiten«.141
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ebd.
Dieser Lösung misstrauten Heinrich und Felsenstein, denn alle Figuren, vom Schulmeister bis zur Eule, suchen


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