jedoch verständlich bleiben. Dieser Wesenszug des Musiktheaters macht den
Kunstcharakter im Sinne eines dem Idealismus verpflichteten Kunstbegriffs
aus.138
vgl. dazu Kap. 2.1.2. der vorliegenden Arbeit: »Felsensteins Humanismus«
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Deswegen war Felsenstein bei jedem Stück, das er inszenierte, auf der Suche nach seiner
richtigen Form der Darstellung. Die Wirklichkeit in einer übersteigerten Kunstwelt zu
transzendieren, verbürgte für ihn den Kunstcharakter. Dass er dies keineswegs nur so
verstand, eine ideale Wirklichkeit vorzuspiegeln, sondern mit den Mitteln der Kunst –
also mit einer stilisierten Wirklichkeit – Wirklichkeit darstellen und sie kritisieren wollte,
zeigen insbesondere seine Offenbach-Verfilmungen. Insofern begründet sich Felsensteins
Abgrenzung vom Naturalismus auf der einen und von Abstraktionen auf der anderen
Seite aus seiner Auffassung von Theater. Er sah sich dem künstlerischen Auftrag, den
Zuschauer mittels Kunst zur Moral zu erziehen, verpflichtet. Bezüglich der
Frage nach Stilisierung hat sich Felsenstein in einer Diskussion anlässlich eines
Gastspieles von ›Othello‹ und dem ›Füchslein‹ in Prag unmissverständlich
ausgesprochen:
»Ich
bin aber mit jeder Stilisierung einverstanden, die reale Menschendarstellung
gestattet und sich mit ihr verbindet. Insofern gibt es also gar keine obere oder
untere Grenze der Stilisierung und der Realität, denn jedes Theatererlebnis
ist nur möglich in der Überhöhung des poetischen Gleichnisses. Das poetische
Gleichnis im Sinn einer menschlichen Aussage kann weder zustandekommen
bei einer naturalistischen Darstellung, noch kann es zustandekommen
bei einer abstrakten Inszenierung. Aber Stilisierung bedeutet noch nicht
Abstraktion.«139
zit. nach: Jahrbuch der Komischen Oper II, Henschelverlag, Berlin 1962,
S. 135f.
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3.4.1. Die Darstellungsform in Felsensteins ›Füchslein‹-Verfilmung
Die auf komplexe Art und Weise stilisierte Darstellung, die Felsenstein für
das ›Schlaue Füchslein‹ als notwendig erachtete, soll im Folgenden genauer
beleuchtet werden. Daran wird deutlich, dass es ein Missverständnis ist, seine
Inszenierung für naturalistisch zu halten. Das Stück verlangt die Darstellung zweier
Welten, der Tierwelt im Wald und der Menschenwelt beim Förster und in der
Schenke.
3.4.1.1 Der Wald
Für die Waldszenen hat Rudolf Heinrich eine »poetische, aber präzise Wirklichkeit«
schaffen müssen, »in der Tiere und Menschen nebeneinander möglich sein
müssen«.140
Heinrich, Rudolf: Es schien ein Märchen, eine Fabel, zit. nach: Kobàn (1997), S. 179ff.
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Nachdem ›das Vertrauen zu den alten, rein malerischen Theatermitteln
zerstört‹ ist, erwägte Heinrich, angesichts der »›Konkurrenzangst‹ vor der
Vollkommenheit der Natur . . . , die Dinge nur in einer verständlichen Formsprache
›anzudeuten‹, in der Hoffnung, die Zuschauer ergänzten sich die nötigen
Einzelheiten«.141
Dieser Lösung misstrauten Heinrich und Felsenstein, denn alle Figuren, vom
Schulmeister bis zur Eule, suchen
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