- 120 -Homann, Rainer: Die Partitur als Regiebuch 
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Bühnenbild die Stückhandlung in eine gewisse Ferne gerückt erschien, obwohl es durch seine Formsprache vollständig verständlich, fast vertraut erschien. Das Unzeitgemäße des Bühnenbildes scheint eine Distanz zu bewirken, ohne zu verfremden. Um nicht das Symbolische der Vorgänge hervorzukehren, mussten sie in einer Welt naiver Direktheit stattfinden, wodurch das Stück nicht Bedeutung vermittelnde chiffrierte Bühnenwirklichkeit, sondern Theater werden sollte. Die von den Kritikern erlebte, aber kaum näher gefasste Distanz verweist wiederum auf die Bedeutung der Handlungen, ihre Bildhaftigkeit.

Naivität der Vorgänge verlangt Felsenstein noch aus einem anderen Grund, den er direkt im Anschluss erläuterte. Im Rahmen der oben schon angesprochenen Diskussion in Prag antwortete er auf einen Diskussonsbeitrag, der sich auf die detaillierte Ausführung des Bühnenbildes am Beispiel der Bilder in der Schänke und dem Pilz, der im Wald steht, bezog. Der Kritiker hielt diese nicht für notwendig, da auch ohne sie ein ›Empfindungs-Bild‹ beim Publikum entstünde. Felsenstein widersprach dem:

»Auf dem Theater [in Unterscheidung zum Liedersänger] muß ich es [das Empfindungs-Bild] sehen. Ob ich es sehe durch Regie, Elemente des Bühnenbildes oder durch die Intensität des Darstellers, das ist gleichgültig.«148

148
Jahrbuch II der Komischen Oper, S. 141

Felsenstein spricht hier wiederum den Anspruch an das Theater aus, absolute Unmittelbarkeit sein zu müssen. Eine Menschenwelt im ›Füchslein‹, die ihre Realität nur als bloße Chiffre ihrer Bedeutung besitzt, ist für Felsenstein kein Theater, weil sie nicht über die Glaubhaftigkeit verfügt, das Publikum Anteil an der Handlung nehmen zu lassen.

3.4.2.  Die Konzeption – Das Motiv des Blickkontaktes zwischen Füchslein und Förster

Eine besondere Rolle in Bezug auf die Beseeltheit der Tierwelt und ihr Verhältnis zu den Menschen, insbesondere zum Förster, spielen die Augen des Füchslein. Da an den Blickwechseln zwischen Förster und Füchslein wesentliche Züge des Konzeptes deutlich werden, wird hierauf jetzt näher eingegangen. Bevor der Förster das Füchslein fängt, gibt es einen langen Blickkontakt zwischen den beiden, mit Nahaufnahmen der beiden Gesichter, wobei man in den Augen des Förster Faszination, in denen des Füchslein offene, unbefangene Neugier zu lesen meint. Das Motiv des Blickkontaktes zwischen dem Füchslein und dem Förster wird ein zweites Mal wieder aufgenommen und zwar im Orchester-Intermezzo des I. Aktes nach der Knaben-Szene, das Felsenstein durchinszeniert hat, um »die entscheidende Beziehung Förster-Terynka-Füchslein von vornherein verständlich zu machen«.149

149
Felsenstein in einem Brief an den Darsteller des Förster Rudolf Asmus vom 24.3.1956, zit. nach: Kobàn (1997), S. 85
In der vorangegangenen Szene, in der sich das Füchslein gegen zwei Knaben wehrte, indem

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