- 58 -Homann, Rainer: Die Partitur als Regiebuch 
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Die dramatische Qualität von Musik geht nicht darin auf, die Zuschauerrezeption einer sprachlich-optische Szene zu emotionalisieren.

Denn die Vorstellungen und Anschauungen, die vom erscheinenden Gegenstand im Bewusstsein vorliegen, existieren getrennt von der emotionalisierenden Musik. Damit jene vollständig dargestellt werden, brauchen sie nicht notwendig Musik. Die schon zu Beginn des Kapitels festgehaltene wesentliche Qualität von Musiktheater ist jedoch seine genuin musikalische Qualität theatralischer Darstellungen.

Bei durch Musik dargestellten Gehalten hat die Musik

»die eigentümliche Aufgabe [...], daß sie jedweden Inhalt nicht so für den Geist macht, wie dieser Inhalt als allgemeine Vorstellung im Bewußtsein liegt oder als bestimmte äußere Gestalt für die Anschauung sonst schon vorhanden ist oder durch die Kunst seine gemäßere Erscheinung erhält, sondern in der Weise, in welcher er in der Sphäre der subjektiven Innerlichkeit lebendig wird.«19

19
Hegel, S. 149

Wird beispielsweise Schmerz musikalisch ausgedrückt, dann tritt der so zur Erscheinung gebrachte Schmerz nicht äußerlich vor unsere Anschauung, sondern wird durch seine musikalische Darstellung in uns als Teil unseres Selbst vorstellig. Das hervorbringende Moment, welches diesen subjektiven Prozess ausgelöst hat und ihn in seinem Ausgangspunkt bestimmt, ist während des Prozesses bereits verschwunden – der erklungene Ton. Musik ist also auf zwei Arten als Innerlichkeit bestimmt: einmal richtet sie sich an die Subjektivität des Zuhörers, dessen Innerlichkeit sie bewegt. Zweitens gibt die Innerlichkeit der Musik die Form vor, in der Musik Inhalte ausdrückt. Sie muss zu einem Inhalt, der von ihr dargestellt werden soll, nicht nur ihm gemäß, sondern auch ihr, der Musik gemäß, erscheinen und dabei den Inhalt darstellen.

»Die Innerlichkeit als solche ist daher die Form, in welcher sie [die Musik] ihren Inhalt zu fassen vermag und dadurch befähigt ist, alles in sich aufzunehmen, was überhaupt in das Innere eingehen und sich vornehmlich in die Form der Empfindung kleiden kann. Hierin liegt dann aber zugleich die Bestimmung, daß die Musik nicht darf für die Anschauung arbeiten wollen, sondern sich darauf beschränken muß, die Innerlichkeit dem Inneren faßbar zu machen [...].«20

20
Hegel, ebd.

In dieser Beschränkung auf pure Innerlichkeit steht sie dem Theater geradezu gegensätzlich gegenüber, weil dieses weitestgehend durch gegenständliche, szenische Handlung bestimmt ist.

3.1.1.1 Musik – ein im Theater zu konkretisierender innerlicher Prozess

Die weitere Fragestellung lautet also, wie eine Musik konkrete Inhalte darstellt, ohne ihren (innerlichen) Charakter aufzugeben. Die banalste Möglichkeit besteht darin, akustische, allgemein bekannte Phänomene nachzuahmen. Wenn Musik ein


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