- 77 -Homann, Rainer: Die Partitur als Regiebuch 
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Inszenierung an der Komischen Oper entstand 1963. Felsenstein hat diese Operette auch 1965 in Frankfurt/Main als Gast inszeniert.

Während in der Untersuchung des ›Hoffmann‹-Films die Konsequenzen des musizierenden Theaters für die Stück-Dramaturgie im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen sollen, widmet sich das ›Blaubart‹-Kapitel dem stilistischen Element der Parodie, das zu Felsensteins Theater, das möglichst die Anteilnahme des Publikums zu erzielen sucht, quer steht. Inwiefern und warum das so ist, soll darin deutlich werden. Weniger die filmisch-technische Umsetzung wird im Mittelpunkt stehen, als am konkreten Beispiel nachzuzeichnen, was an diesen Filmen musizierendes Theater ist. Insofern wird der Bedeutung Rechnung getragen, die die Filme auch für Felsenstein und die damalige Kulturpolitik hatten: Sie sind Dokumente seines Theaterschaffens.62

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vgl. Felsenstein Schriften, S. 349

3.3.1.  Felsensteins ›Hoffmanns Erzählungen‹

Es soll im Rahmen der Analyse weiterhin gezeigt werden, dass einige der Begriffe Felsensteins, die er für seine Stückanalyse anerkannte und die freilich pragmatisch auf den Zweck einer Inszenierung hin ausgerichtet waren, auch für eine theoretische Befassung mit vorliegenden Operninszenierungen fruchtbar sind. Was Götz Friedrich, der langjährige und damals sehr enge Mitarbeiter Felsensteins, 1962 – also im direkten zeitlichen Umfeld der beiden Offenbach-Inszenierungen – schrieb, soll in beiderlei Hinsicht, auf das Stück und auf Felsensteins Inszenierung, erwiesen werden:

»Wird der Begriff der Handlung als das schöpferische Grundgesetz des Musiktheaters akzeptiert, dann gewinnnen wir zweierlei: das allgemeinverbindliche Arbeitsmittel auf dem Wege zur gültigen szenischen Verlebendigung einer Partitur und das zuverlässige Kontrollmittel, das darüber entscheidet, ob die betreffende Interpretation und ihre Darstellung richtig sind.«63

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Friedrich, Götz: Die Handlung als Kriterium, in: Götz Friedrich, Musiktheater, Ullstein, Frankfurt/Main, Berlin 1986

Felsensteins Begriff der »musikalischen Handlung«,64

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Beispielhaft für viele Stellen soll Felsensteins folgende, oft gemachte, Äußerung angeführt sein: »Musiktheater ist, wenn eine musikalische Handlung mit singenden Menschen zur theatralischen Realität und vorbehaltlosen Glaubhaftigkeit wird.« Felsenstein, Schriften, S. 45
der als wesentliches Merkmal seines Musiktheaters zu gelten hat, verdankt sich einem Verständnis dieser Theaterform, das die Einheit von Musik und Handlung verlangt. Mittels der Frage nach dem Anlass der Musik in der Handlung ist jedoch eben nicht die (bühnen-) handlungsbegleitende Funktion der Musik gemeint, sondern Musik als konstituierendes Moment der Handlung begriffen. Diese Auffassung nimmt Musik nicht als Selbstverständlichkeit in der Oper hin, sondern verlangt – wie für jede andere Bühnenhandlung – auch eine Klärung ihres Grundes. Ein Opern-Regisseur, der Felsensteins ästhetisch begründete Forderung teilt, Musik nicht als schon existente Bedingung in der Oper zu nehmen, steht vor der Aufgabe, Bühnenhandlungen zu finden, die in Musik münden, eine Handlung zu realisieren, die den Gesang als Ausdrucksform erfordert. Die Analyse des Anlasses zum Gesang gibt einen Ansatz dafür her, zu

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