1. Einleitung
Laienorchester und -chöre sind Bestandteil sowohl der Geschichte des deutschen
Musiklebens, als auch der Kulturlandschaft und der gesellschaftlichen und sozialen Struktur
in der Bundesrepublik Deutschland zur Jahrtausendwende. Ein wissenschaftliches
Forschungsinteresse kann aus verschiedenen Blickwinkeln auf das Laienmusizieren
gerichtet werden. Die vorliegende Studie widmet sich den Laiensinfonieorchestern, die
nicht in ihrer historischen Dimension und ihrer zahlenmäßigen Gesamtheit betrachtet
werden können, die aber in bezug auf den Gegenstand, die Arbeitsform und die
Zielsetzung ihrer Aktivitäten untersucht werden sollen. Laienorchesterarbeit vollzieht sich
in vielfältigen Erscheinungsformen innerhalb der Polarität einer Freizeit – Dienstleistung
und eines am Maßstab der Professionalität gemessenen Leistungswettbewerbs. Sowohl die
freizeitorientierte, als auch die leistungsorientierte Ausrichtung finden gleichermaßen
Befürworter1
1 »Die traditionelle Grundlage des Vereins, den Austausch von Beziehungen und
Leistungen zu ermöglichen, wird gelegentlich durch das Vordringen einer Vermarktung
der Freizeit als gefährdet angesehen. Die statistische Entwicklung läßt dies bislang jedoch
nicht erkennen«. (ALLEN, S. 33.) »Ziel des Leistungsvergleichs beim Deutschen
Laienorchesterwettbewerb ist [es, . . .] einerseits den [. . .] hohen Leistungsstandard
deutscher Laienorchester der Politik, den Medien und der Öffentlichkeit gegenüber
darzustellen, andererseits den Orchestern und ihren Leitern die Möglichkeit zu geben,
ihren Standort innerhalb des Leistungsgefüges zu bestimmen und darüber hinaus
Anregungen für ihre künftige musikalische Arbeit mitzunehmen.« (RABBOW,
S. 7.)
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und Kritiker.2
2 »Die vielfach feststellbaren Defizite der Laienmusik, hinsichtlich ästhetischer
Qualität einerseits und emanzipativer Wirkung andererseits, lassen in manchen
Augen diese Gruppe als obsolet erscheinen [. . .]. Das alte Vereinsprinzip, in
dem der Verein noch Lebenswelt war, man in, mit und für den Verein lebte, ist
überholt, wirkt eher abschreckend, denn in der konsumorientierten Welt, in der wir
leben, wird auch die Freizeitgestaltung warenartiger. Nicht Verpflichtung und
Einbindung sind gefragt, sondern die Orientierung an der aktuellen Lust, der
Freude, dem Spaß. Nachgefragt wird die Freizeit-Dienstleistung.« (FREVEL,
S. 53f.) »Der Wettbewerbsgedanke ist dem Laienmusizieren, das neben der
möglichst mustergültigen Erarbeitung musikalischer Werke seine Aufgaben im
sozio-kulturellen Bereich sieht [. . .], zunächst fremd.« (LINDER, in DLO 1986, Heft 2,
S. 12.)
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Die Fragen, warum sich wer zu kontinuierlicher Laienorchesterarbeit innerhalb dieser
Polarität von Freizeitspaß und Leistungswillen zusammenfindet, welche historisch
gewachsenen Rahmenbedingungen gegeben sind, welche Ziele gesteckt werden und wie
man sie zu erreichen sucht, wurden zum Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit. Im
Zentrum der Betrachtung steht das Verhältnis der realen Arbeitssituation und der
künstlerisch-praktischen Ergebnisse der einzelnen Orchester zu ideellen Zielsetzungen von
Laienorchesterarbeit und ihrer theoretischen Reflexion. Zwei Aspekte stehen dabei im
Vordergrund: Zunächst stellt sich die Frage, welche Angaben sich zu Zielsetzung und
Repertoire der Laienorchesterarbeit machen lassen, und ob sich diesbezüglich eine
kontinuierliche historische Entwicklung feststellen läßt. Das Repertoire läßt sich
statistisch anhand der Programme öffentlicher Konzerte
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