- 46 -Müßgens, Bernhard: Musik und Angst 
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der das Überirdische in dir hast, sehnst dich nach dem Irdischen! Und kannst nicht bestehn! Du Armer!

(Schönberg, Die glückliche Hand 1-7)


Die Gesichter und das Fabeltier verschwinden. Alles bleibt still und bewegungslos. Zum Einsatz leiser werdender Streicherpizzicati senken sich langsam, wie schwarze Schatten, Schleier auf den Mann: Zeichen des Übergangs vom Wachen zum Träumen (oder zur Traumerinnerung). Hinter der Szene erklingt "laute, gemein-lustige Musik, die in einen Jubel der Instrumente ausklingt". Das grelle höhnische Lachen einer Menschenmenge wird hörbar.


Im selben Augenblick ... erhebt sich der Mann mit einem kraftvollen Ruck. Gleichzeitig zerreißen hinten die dunkeln Abschlußwände des Bühnen-Abteils. - Der Mann steht aufrecht da. Er trägt eine schmutzig-braun-gelbe Jacke aus kotzenartigem, sehr dickem Stoff. Seine schwarze Hose reicht auf dem linken Bein nur etwas unter das Knie; von da an hängen Fetzen hinunter. Das Hemd ist halb offen, so daß die Brust zu sehen ist. Die Füße, ohne Strümpfe, sind mit sehr zerrissenen Schuhen bekleidet; der eine Schuh ist so zerrissen, daß man den bloßen Fuß sieht, der oben eine große offene Wunde, wie von einem Nagel herrührend, zeigt. Gesicht und Brust sind von vielen teils blutigen, teils alten Narben entstellt. Das Haar fast ganz kurz geschoren.

(Schönberg, Die glückliche Hand 8)



3.2 Manifester Traum und mythologisches Vorbild


Mit der Verwandlung zum zweiten Bild treten wir in den Umkreis des manifesten Traumes ein. Die "Traumhandlung" beginnt. Der Bühnenausschnitt ist nun etwas tiefer und breiter als zuvor. Den Hintergrund bildet eine "zartlichtblaue, himmelartige Leinwand". Durch einen kreisförmigen Ausschnitt verbreitet sich "grelles gelbes Sonnenlicht ... Keine andere Beleuchtung als diese". Schönberg mißt diesem Detail der Szenerie besondere Bedeutung bei. Mit Nachdruck weist er auf die Intensität des sonnenartigen Bühnenlichts hin. Der Text erinnert uns an mythologische Zusammenhänge, die wir in Eugen Drewermanns Deutung des Märchens vom Trommler wiederfinden. In ihm spielt der Lauf der Gestirne eine besondere Rolle. Die auf dem Glasberg gefangene und verzauberte Geliebte des Trommlers erinnert Drewermann an Mondgöttinnen der verschiedenen Kulturen und ihrer Mythologien. Der gläserne Berg symbolisiert das Himmelsgewölbe. Das im Märchen vom Trommler bedeutsame weiße Gewand der Geliebten, das der Trommler ihr am Rande eines Sees (des Unbewußten) stiehlt, ohne welches sie nicht zum gläsernen Berg zurückkehren kann, und


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