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- 4 - aus: Ketil Bjørnstad: Vindings Spiel

hält es aus, langsam gespielt zu werden, aber nicht jede Musik hält es aus, schnell gespielt zu werden. Das ist Syn-nestvedts pädagogisches Credo. Deshalb entschließe ich mich meistens, langsamer zu spielen als andere, so wie mein großer Held Glenn Gould das erste Klavierkonzert von Brahms mit den New Yorker Philharmonikern so langsam spielte, daß Leonard Bernstein das Publikum vorwarnte. Pures Entsetzen! Eine Weltberühmtheit stand am Pult und verkündete, daß der Solist des Abends eine Interpretation liefern werde, für die der Dirigent nicht ein­stehen könne. Jetzt werde ich einstehen für meine persön­liche Interpretation von Debussys »Clair de Lune«. Aber der herrliche Septimakkord zeigt zunächst keine Wir­kung; erst als ich das Thema beinahe sich auflösen lasse, ja, ich spiele plötzlich so langsam, daß ich zwischen jedem Akkord einen Mittagsschlaf hätte halten können. Da kommt die Wirkung. Etwas geschieht. Die Elektrizität, auf die ich gewartet habe, ist plötzlich im Raum. Ich nehme die drei Mitglieder der Jury wahr wie Schatten rechts von mir. Jetzt sollen die alten Penner endlich mer­ken, mit wem sie es zu tun haben. Wenn mir dieser Schluß gelänge, wäre ich überzeugender als Anja Skoog. Dann hätte ich gesiegt.

Ich bin nur eine Minute vom Ziel entfernt. Ich konzen­triere mich auf den letzten verhaltenen Herzensseufzer von Debussy. Er soll Anja Skoog gelten, ob sie nun zuhört oder nicht. In dem Augenblick ertönt Lärm im Saal. Ein lauter und deutlicher Lärm. Ich zucke so sehr zusammen, daß mir um ein Haar ein häßlicher Fehlgriff unterlaufen wäre. Habe ich richtig gehört? Für einen Moment glaube ich, meine Nerven spielen mir einen Streich, aber dann höre ich es wieder. Jemand ruft. Ein Mensch ist unten in der fünften Reihe aufgestanden. Eine Frauenstimme, laut und schrill. Sie ruft »bravo!« Ja, »bravo« ruft sie. Ich sitze unschlüssig


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