4 Einleitung -In welchem Verhältnis stehen Realität und Virtualität zueinander?-Welches Wirklichkeitsverständnis kann die Verbreitung virtueller Welten erklären?Dabei liegt der Fokus auf digital erzeugten Objekten als aktuellen Iterationen der Virtualität, von denen spezi1sch eigene Charakteristika erwartet werden können.Auch das Thema Musik und Virtualität ist in weiteren Perspektiven interessant, etwa aus dem Blickpunkt » Musik als virtuelle Kunst « , die ihre Werke sozusagen dezen-tral immer neu aktualisiert und nicht auf die ortsgebundene Form einer Skulptur oder eines Gemäldes beschränkt ist. Verschiedene andere Kontexte bleiben unbeob-achtet,12 um das Thema » Musik und Virtualität « für den Rahmen einer Dissertation handhabbar zu gestalten.Wenn neue Medientechnologien Fragen nach der Realität neu aufwerfen, erfolgen neue Lösungsansätze entsprechend medienbasiert. Anders formuliert: die Frage nach der Realität ist inzwischen von der Frage der Medialität eingeholt, wie unter an-derem auch Jörissen feststellt.13 Dabei herrscht sowohl prinzipielle Uneinigkeit über den Medienbegriff selbst, als auch über die Bezeichnung der für die Beantwortung zuständigen Fachgebiete: Medienwissenschaft, Medientheorie, Medienphilosophie oder Mediologie. Medienbasierte Realitätskonzepte lassen sich dabei mehr oder we-niger ohne Anschluss an vorherige Theorien aufstellen, wie es etwa – ein wenig pauschalisiert dargestellt – bei McLuhan oder Flusser zu beobachten ist. Doch gera-de wenn es um das Aufzeigen versteckter und/oder unrefektierter Dualismen im Zusammenhang mit der beschriebenen Derealisierungsangst angesichts virtueller Welten geht, ist ein enger und intensiver Bezug zu verschiedenen philosophischen,systemtheoretischen oder biologistischen Realitätsentwürfen hilfreich, auch wenn sie angesichts » neuer « Realitäten eine Aktualisierung erfahren müssen. Insbesonde-re die kulturelle » Kränkung « (Reich 1998) ontologischer Weltbilder ist in der jüngs-ten Vergangenheit beispielsweise nicht nur vom landläu1g bekannten Radikalen Konstruktivismus, sondern auch den verschiedenen Medientheorien der letzten Jahrzehnte, vorgebracht worden. Für eine » Verortung « virtueller Räume, Objekte und Instrumente wird dabei auf das Raumkonzept der Systemtheorie zurückgegrif-fen, das beansprucht, traditionelle Dualismen mit der Unterscheidung Medium und Form zu überschreiben – und in diesem Sinne auch als Medientheorie zu verstehen ist. Wenn verstanden werden soll, was virtuelle Räume oder Objekte sind, so muss zunächst verstanden werden, was » Raum « bedeutet, wie sich in Abwandlung des benannten Standpunktes von Flusser festhalten ließe. Der in Folge vertretene Stand-punkt, Raum nicht mehr als ontologischen Container für Dinge zu verstehen, be1n-det sich durchaus in gewisser Nähe zum aktuell viel diskutierten spatial turn der Kultur- und Sozialwissenschaften. Auch hier wies unter anderem der Cyberspace auf die Notwendigkeit einer Anpassung der Raumauffassung hin, die dann über die 12 Vgl. auch den Ansatz von Parncutt und Kessler » Musik als virtuelle Person « : Parncutt/Kessler 2006.13 Jörissen 2007: 197.