18 Der Computer als Medium medial vervielfältigten Bildern attestierte – stellen digitale Bilder die » plato-nischste « Bildform der ganzen Kulturgeschichte dar: sie existieren, genau ge-nommen, ausschließlich als das unaufösbare und unmittelbare Verhältnis ei-ner mathematisch ›reinen‹ Vor-Schrift zu Ihrer medial verkörperten Erschei-nung.46 So wie bereits Platon jedem illusionistischen Bild Realitätsferne vorwirft (wodurch das Bild zum phantasma wird), kann auch angesichts rezenter digitaler Bilder die Angst vor einer Derealisierung unseres Alltags durch vermeintlich wirklichkeitsfer-ne Bilderwelten konstatiert werden. Die reale Welt wird durch – mittlerweile nahe-zu perfekte – » Technobilder « unterminiert, oder, mit Jörissen ausgedrückt, die Men-schen würden in einen » de-realisierten, wirklichkeitsfernen Bilder-Kosmos « 47 einge-sogen. Dies ist der Kern der eingangs diagnostizierten Derealisierungsangst. Wir verstehen (Techno-)Bilder demnach vornehmlich als Repräsentationen und reduzie-ren sie darauf, doch wird diese Sichtweise dem kulturellen Objekt sozusagen über-gestülpt und ist ihm nicht inhärent. Diese Sichtweise verrät die repräsentationalisti-sche Disposition , die sich letztlich im Begriff der virtuellen Realität als Abbild einer demgegenüber realen Welt niederschlägt. Wie auch Kersten Reich stellt Benjamin Jörissen einen strukturellen repräsentationalistischen Dualismus (post-)moderner Gesellschaften fest.Es ist essentiell zu sehen, dass diese Sichtweise dem kulturellen Objekt » Bild « nicht irgendwie ontologisch anhaftet, sondern dass sie ihm angetragen wird,d. h., dass sie eine Art unter anderen bezeichnet, mit Bildern umzugehen – und zwar eine, die mehr über die (auf Repräsentation 1xierte) Kultur verrät, in der sie betrieben wird, als über das Bild selbst.48 Während von einigen Autoren der Umgang mit virtuellen Realitäten also unter die Vorzeichen der Repräsentation gestellt wird, gibt es auch Tendenzen, die angesichts vollkommen technologisch konstruierter Bilder einen Verlust der Abbildfunktion konstatieren. So schreibt etwa Siegfried J. Schmidt:Angesichts der technischen Möglichkeiten spurenloser Bildbearbeitung wird unser naives Vertrauen in die Repräsentationsleistung der technisch hergestell-ten Bilder erstmals von Grund auf erschüttert. Das Bild verliert seine (referen-tielle) Abbild- bzw. Repräsentationsfunktion und übernimmt Indikatorfunkti-on mit emotionalem Mehrwert.49 Um in letzter Instanz zu akzeptieren, dass hier eigenständige, » reale « mediale Sphä-ren der Realität geschaffen werden, die jeden Verweis auf Vor-Schriften oder gar Vor-Bilder nicht nur aufgegeben haben, sondern ihre Eigenständigkeit von vornher-46 Jörissen 2007: 65.47 Ebd.: 66.48 Ebd.: 21.49 Schmidt 1999: 140.