2.1 Was ist ein Medium?19 ein betonen, muss der Repräsentationsgedanke und damit eben auch der vorherr-schende Realismus ein gutes Stück weit aufgegeben werden. Wenn wir unsere Wirklichkeitskonstruktionen nicht mit der » wirklichen « Wirklichkeit vergleichen können und jeweilige Referenzialisierungen modalisieren müssen, verändert sich in Folge auch der Blick auf die Referenz von Bildern, so die (strukturell konstruktivis-tische) Hoffnung hinter dieser Folgerung.Je weiter unser Wissen um sensorische, motorische und bald auch kognitive und perzeptuelle Simulation voranschreitet, desto mehr werden wir verstehen,daß Realität eine Funktion von Medien ist.50 Mit Blick auf die anfangs beschriebene Derealisierungsangst scheint jedoch eine ge-sellschaftliche Tendenz erkennbar, die sich Siegfried J. Schmidts Vermutung eher entgegen stellt. Denn eine entgegen gesetzte, abwehrende Tendenz bleibt ebenso of-fen: Das Bild, dass durch seine spurenlose Manipulation zwar darstellerische Omni-potenz erlangt, dessen spezi1sch digitale medial-reale Sphäre aber nicht anerkannt wird, verkommt zur virtuellen (im Sinne einer künstlichen/ nicht realen/ simulier-ten/ vorgetäuschten) Realität. Ihre Immersionskraft wird gleichsam anerkannt, sie in1ltriert und unterminiert die wirkliche Realität, oder saugt diese in umgekehrter Perspektive vielmehr ein. Spätestens hier wird deutlich, dass die Frage, ob Medien eine Welt bloß abbilden, also der Computer eine Maschine der Repräsentation und Simulation ist, die sich ausschließlich in Relation zu einem ursprünglichen Original verstehen lässt, oder ob sie eine spezi1sch mediale Realitätssphäre erst erschafft,eine Wiederholung philosophischer Grundprobleme ist, nur leicht transformiert im medial turn.2.1.4 Derealisierungsangst als ästhetische Strategie Es ist kaum möglich, die Angst vor dem Verschwinden der Wirklichkeit auf einen Kern zu reduzieren. Wie Wolfgang Welsch gezeigt hat,51 existieren viele parallele Auffassungen von Wirklichkeit und ebenso viele Ängste vor ihrem Verschwinden können erwartet werden. Trotzdem soll, vor dem Hintergrund der bis hier aufge-stellten Ausführungen, versucht werden, Dimensionen der Derealisierungsangst zu-mindest anzudeuten.Wie deutlich geworden ist, wird die Erkenntnistheorie von Dualismen be-herrscht, die auch vom vergleichsweise populären Konstruktivismus nicht restlos aufgelöst werden konnte und etwa im Falle Glasersfeld oder Roth durch die Unter -scheidung Wirklichkeit/Realität letztlich sogar noch unterstrichen wurden. Die Un-terscheidung Realität/Virtualität ist im Grunde nur die vorläu1g letzte in einer Rei-he von Derealisierungsunterscheidungen (Realität/Illusion, Realität/Fiktion, Reali-tät/Bild, Realität/Simulation), die durchaus mit dem jeweiligen Aufkommen neuer Medientechnologie in Verbindung gebracht werden können. Die Fotogra1e evozier-50 Kerckhove 1998: 193.51 Welsch 1998.