20 Der Computer als Medium te die Derealisierungsunterscheidung Bild/Wirklichkeit, das Aufkommen virtueller Welten die Unterscheidung Realität/Virtualität. Repräsentationalistische, dualisti-sche Theorien der Wirklichkeit sind eine Form gesellschaftlich-politischer Praxis 52 und können in diesem Sinne als ästhetische Strategien wahrgenommen werden.Eine instrumentenbasierte Ausprägung solcher Derealisierungsunterscheidungen ist die Trennung in natürliche und künstliche Instrumente, die sich am Beispiel der Kirchenorgel besonders anschaulich schildern lässt (siehe Kap. 5.1.1).Die Historie der Verlustängste vollzieht sich, wie Werner Faulstich mit ein-drucksvollen Zitaten belegt, entlang allen maßgeblichen Medienumbrüchen der letzten Dekaden. Der Plattenspieler wurde zum Element gesellschaftlicher Zerset-zung, er tat – gemeinsam mit Rundfunk und Kino – dem » guten Schrifttum « und » guten Theater « 53 Abbruch. Später gilt Ähnliches für neue » Oberfächlichkeiten « .Das Fernsehen etwa wurde zur » Droge im Wohnzimmer « , die ganz ähnlich dem Al-kohol in der Lage zu sein schien, die wirkliche Welt auszulöschen und den Anwen-der von einem aktiven, der Welt sozusagen zugewandten Zustand, in einen passi-ven, de-realisierten Modus umzuschalten.54 Faulstich deckt dabei auf, dass sich ent-lang von Medienumbrüchen der Glaube an » die eine « Wirklichkeit manifestiert,etwa bei Günther Anders:Im Kern geht es Anders um den Glauben an eine unverwechselbare, eindeuti -ge Wirklichkeit, um die Trauer über das verlorengegangene bürgerliche Indivi-duum einer vergangenen Epoche und Gesellschaftsstruktur, um die Klage über den Verlust einer Ordnung, welche Identität nach den Regeln des (vergange-nen) Printmedienzeitalters fundierte. Bei Anders liegt er weiter vor, der Glaube an » die « Wirklichkeit, » die « Identität des Menschen unhinterfragbar, ungeküßt von allen Zweifeln. Und diese Realität, diese Identität wird als gegebene dem von Menschen angeblich künstlich und kommerziell Gemachten (den Massen-medien) korrektiv entgegengehalten.55 Auch Rusch, Schanze und Schwering sehen » neuzeitliche Verlusterfahrungen « als refexhafte Reaktion auf die Einführung neuer Leitmedien.Um 1800, in den Medienrefexionen der Romantiker, werden der Abbruch der oralen Tradition und der Umbruch vom Manuskript zum gedruckten Buch als neuzeitliche Verlusterfahrungen beschrieben.56 Die Angst vor einem Verschwinden der Realität ist eine Reaktion der Gesellschaft auf neue Medien oder neue Technologien, die sich für alle Medien, die heute unsere Welt bestimmen und Medienumbrüche herbeigeführt haben, nachweisen lassen.Die aktuelle Derealisierungsangst – sofern sie so pauschalisiert überhaupt postuliert 52 Jörissen 2007: 109.53 Faulstich 1997: 24.54 Ebd.: 27.55 Ebd.: 30.56 Rusch/Schanze/Schwering 2007: 23.