40 Beobachtungen der Realität – vom Konstruktivismus zur Medientheorie den beobachteten Ausprägungen zumindest zulässt, sonst werden seine Kon-struktionen hochgradig inkonsistent.12 In der Realismus-Idealismus-Debatte geht es also im Kern nicht darum, ob eine Welt hinter den Phänomenen überhaupt existiert. Die Dinge an sich sind Voraussetzung unserer Erkenntnis, sie machen sie gleichsam erst möglich. Tatsächlicher Gegen-stand der epistemologischen Fragestellung ist vielmehr, welches Verhältnis zwi-schen Phänomenon und Noumenon besteht, Philosophie fragt in diesem Sinne eher nach den Möglichkeiten der Erkenntnis. Nicht ob überhaupt, sondern auf welche Art ist die entscheidende erkenntnistheoretische Fragestellung. Für die aus dem Idealis-mus entwickelten konstruktivistischen Positionen ist dabei jedoch eine Form der Va-lidierung getroffener Erkenntnis, sozusagen vom Phänomenon zum Noumenon, un-vorstellbar,[…] denn, um sie nachzuweisen, müßte man in der Lage sein, dieses Wissen mit der Realität zu vergleichen. Da wir unsere Vorstellungen jedoch stets nur mit Vorstellungen vergleichen können, gibt es für uns keine Möglichkeit her-auszu1nden, ob unsere Vorstellungen » Dinge « repräsentieren, die in einer rea-len Welt » existieren « , geschweige denn, ob sie diese » wahrheitsgetreu « wieder-geben.13 Wir werden nach von Glasersfeld niemals in der Lage sein, aus unserer Erkenntnis,aus unserer Lebenswirklichkeit herauszutreten und die Dinge, wie sie sich uns dar-stellen, mit den Dingen an sich zu vergleichen. Wir sind nur in der Lage, unsere Vor-stellungen mit anderen Vorstellungen zu vergleichen. So stehen die in den folgen-den Betrachtungen eine Rolle spielenden Konzepte des Konstruktivismus und auch der Systemtheorie bisweilen unter Solipsismusverdacht. Gerhard Roth, der einen stark neurobiologisch geprägten Konstruktivismus verfolgt, schreibt zum Solipsis-musvorwurf:Was können wir aber vernünftigerweise über das Verhältnis von » objektiver « Welt und phänomenaler Welt, von Realität und Wirklichkeit aussagen, wenn wir keinerlei Zugang zur Realität haben? […] Es ist ein – von Konstruktivisten häu1g selbst hervorgerufenes – Missverständnis, ein konstruktivistischer An-satz sei gleichbedeutend mit einem erkenntnistheoretischen Idealismus, Skep-tizismus, Agnostizismus oder gar Solipsismus.14 Ob es eine von unserer Erkenntnis unabhängige Welt gibt oder nicht, ist eine jener Fragen, die Heinz von Foerster als prinzipiell unentscheidbar kennzeichnet. Er stellt im Hinblick auf entscheidbare und unentscheidbaren Fragen ein Theorem auf:» Nur die Fragen, die prinzipiell unentscheidbar sind, können wir ent-scheiden.« Wieso?12 Roth 1992: 324.13 Glasersfeld 1991: 163.14 Roth 1992: 322.