58 Beobachtungen der Realität – vom Konstruktivismus zur Medientheorie Die andere Einstellung bezeichne ich als Objektivität in Klammern; die emotio-nale Basis besteht hier darin, dass man die Gesellschaft des anderen genießt.Die Frage nach dem Beobachter wird vollkommen akzeptiert, und man ver -sucht, sie zu beantworten: Die Unterscheidung von Objekten wird gemäß die-sem Erklärungsweg nicht geleugnet, aber der Verweis auf die Objekte bildet nicht die Basis von Erklärungen, sondern es ist die Kohärenz von Erfahrungen mit anderen Erfahrungen, die die Grundlage der Erklärungen darstellt.65 Obwohl mit einer bloßen Klammersetzung natürlich noch kein Streit über die Natur der menschlichen Wahrnehmung entschieden ist, zeigt sie vieles auf. Zum Beispiel leben wir nach Maturana derzeit in einer Welt, die Menschen durch ihr Handeln manipulieren und zu beherrschen scheinen, die Welt wird als triviale Maschine an-gesehen und kann beobachtet oder verändert werden, ohne dass sich der Beobach-ter verändert. Da Menschen (wie alle anderen Tiere auch) für Maturana Phänomene der Biologie sind, versucht er, Funktionen dieser Lebewesen in einem biologischen Rahmen zu erklären. Eine Erkenntnistheorie, die ohne Ontologie auskommen will,soll auf einem rein biologischen Fundament aufgebaut werden.» Was ist Wissen?« – » Was tun wir, wenn wir von der Realität oder vom Realen sprechen?« – » Was behaupten oder sagen wir, wenn wir von Objektivität re-den?« – » Wie spielt sich das Beobachten, der Prozeß des Beobachtens ab?« Ich halte diese Fragen für grundlegende Fragen. Ich halte sie für Fragen, die dar-auf hinweisen, wie wir menschliche Wesen leben, für Fragen, die auf biologi-sche Phänomene zurückzuführen sind und daher im biologischen Bereich be-antwortet werden müssen.66 Dass eine Antwort im biologischen Bereich gefunden werden muss, bedeutet aller-dings nicht, dass sie von Molekülen oder Hirnströmen handeln muss. Für Maturana ist Kognition selbst ein biologischer Prozess in dem Sinne, dass Kognition der Erhal-tung des Selbstproduktionsprozesses dient, der für ihn charakteristisches Merkmal des Lebens ist. Kognition ist demnach kein von der Alltagswelt, dem Körper oder Emotionen losgelöster Prozess und steht somit auch nicht für den realistischen Dua-lismus Geist/Körper zur Verfügung. Erkennen soll also nicht irgendetwas repräsen-tieren, Erkenntnis ist vielmehr die Art und Weise der Welterzeugung jedes Lebewe-sens. Maturanas und Varelas Theorie der Erkenntnis wird hier als naturale Episte-mologie deutlich. Kognition – Erkenntnis – gilt als Phänomen, dass Lebewesen und ihren Umgang mit der Umwelt, ihrem Medium, kennzeichnet.Dementsprechend ist es meine Absicht, Kognition als ein biologisches Phäno-men zu untersuchen. Zu diesem Zweck muß ich Kognition als ein biologisches Phänomen de1nieren, wobei ich von Kognition Gebrauch mache; oder ich muß zu-65 Maturana, zitiert nach Pörksen 2008: 79 f.66 Maturana 2000a: 7.