64 Beobachtungen der Realität – vom Konstruktivismus zur Medientheorie zunehmen. Es erweitert lediglich den Bereich der Aufrechterhaltung der Auto-poiese. Volker Riegas fasst zusammen:Kognition wird von Maturana als biologisches Phänomen aufgefasst. Ein Lebe-wesen verfügt über Kognition, wenn es in der Lage ist, seinen Fortbestand un-ter dem (Stör-) Einfuss von Aussenreizen zu erhalten. Ein Beobachter (Zu-schauer), der diese erfolgreiche Störungsbewältigung sieht, schreibt dem Lebe-wesen Kognition zu. Kognition kann in etwa mit ›Lebensbewältigung‹ oder ›Überlebensverträglichem Handeln‹ gleichgesetzt werden. Maturana hat seine De1nition in der Kurzformel ›to live ist to know‹ zusammengefasst.84 Kognition ist also nicht bloß ein Werkzeug, mit dem wir unsere Erkenntnis und ihre Möglichkeiten und Grenzen betrachten können. Mit Kognition können wir nicht (nur) die Merkmale des Lebens ergründen und verstehen, Kognition ist dieser Pro-zess selbst. Oftmals aufkommende Missverständnisse und Fehlinterpretationen von Maturanas Thesen sind zu einem gewissen Grad auch dieser eher ungewöhnlichen Verwendung einiger Begriffe geschuldet. Wenn Maturana schreibt, dass Kognition der Realisierung der Autopoiese dient, so meint er damit zunächst Kognition als dasjenige Phänomen, dass auch das Pfeilkraut zeigt, wenn es auf geänderte Bedin-gungen der Umwelt reagiert. Dafür ist keinerlei Form eines Bewusstseins oder » ab-straktes « Denken erforderlich. Ein einzelliger Organismus etwa kann durch Kogniti-on, durch erfolgreiches, angemessenes Verhalten, auf geänderte Verhältnisse des Mediums reagieren. Dieses Verhalten äußert sich zum Beispiel durch Photo- oder Chemotaxis, der Bewegung des Organismus im Medium entlang eines bestimmten Gradienten, Lichtverhältnisse etwa im Falle der Phototaxis. Indem der Organismus durch Vorgänge auf rein molekularer Basis dazu in der Lage ist, sich im Medium zu bewegen und Plätze vorteilhafter Licht- oder Nahrungsverhältnisse zu 1nden, er-hält er die Selbsterhaltung. Dies meint Maturana, wenn er schreibt, dass Kognition die Realisierung der » Autopoiesis « des Individuums ist.3.4.4 Autopoiesis Das Konzept der Autopoiese (auch Autopoiesis), ist vor allem durch die Übertragung in die Soziologie durch Niklas Luhmann bekannt geworden. Für Maturana ist Auto-poiese vor allem kennzeichnendes Merkmal lebender Systeme und zunächst auch nur als solches, als Schlüsselmerkmal alles Lebendigen, aufzufassen.Es gibt eine Klasse von Systemen, bei der jedes Element als eine zusammenge-setzte Einheit (System), als ein Netzwerk der Produktionen von Bestandteilen de1niert ist, die (a) durch ihre Interaktionen rekursiv das Netzwerk der Pro-duktionen bilden und verwirklichen, das sie selbst produziert hat; (b) die Grenzen des Netzwerks als Bestandteile konstituieren, die an seiner Konstitu-tion und Realisierung teilnehmen; und (c) das Netzwerk als eine zusammenge-setzte Einheit in dem Raum konstituieren und realisieren, in dem es existiert.84 Riegas/Vetter 1990a: 333.