3.4 Humberto Maturana 69 Das visuelle System stellte sich in diesem neuen Licht nicht mehr als Input -> Out-put System im Sinne von spektrale Zusammensetzung des Lichts -> Wahrnehmung einer determinierten Farbe dar. Es konnte nicht mehr länger als offenes System gedacht werden und musste operationell geschlossen werden. Eine bestimmte spektrale Energiezusammensetzung determiniert nicht die Wahrnehmung einer bestimmten Farbe. Diese Farbwahrnehmung wurde systemintern erzeugt. Aktivität des Nerven-systems hatte demnach mit internen Korrelationen zu tun, nicht mit extern erzeug-ten, vorgeschriebenen, instruierenden Zuständen.Wenn Sie aber die Korrelation zwischen der Aktivität retinaler Ganglienzellen und den Farbnamen berechnen, nicht die zwischen den Zellaktivitäten und der spektralen Zusammensetzung des in das Auge einfallenden Lichts, dann ver-suchen Sie, eine interne Korrelation innerhalb des Nervensystems aufzustellen.Sie korrelieren nämlich einen Zustand von Aktivität innerhalb des Nervensys-tems mit einem anderen Zustand von Aktivität innerhalb des Nervensystems.Das Nervensystem wird dabei » abgeschlossen « .96 Aktivitäten des Nervensystems folgen so immer nur auf vorhergehende Aktivitäten des Nervensystems, niemals kann ein Input, also Information von außen, einen Zu-stand der Aktivität des Nervensystems bestimmen. Es gibt Ansätze, diese Konzep-tionen abzuändern und zu relativieren. Volker Riegas hat sich nach eingehender Diskussion mit Humberto Maturana 97 mit der Geschlossenheitsthese auseinander-gesetzt und dabei vor allem auf empirische Untersuchungen zurückgegriffen. Er führt frühe experimentelle Forschungen der Psychophysik durch Fechner und We-ber an, die Versuchspersonen mit verbundenen Augen fast gleich schwere Gewichte heben ließen, um festzustellen, ob und ab welcher Gewichtsdifferenz eine Verände-rung für die Probanden festzustellen war. Es konnte nachgewiesen werden, dass es eine kritische Gewichtsdifferenz gibt, deren Überschreitung zur subjektiven Fest-stellung der Gewichtszunahme führte. Unter einer bestimmten Schwelle der Ge-wichtszunahme hingegen ändert sich in der Wahrnehmungswirklichkeit der Ver-suchspersonen nichts, die beiden Gewichte erscheinen gleich schwer.Diese kritische Gewichtsdifferenz war bei allen Versuchspersonen eine nahezu konstante Größe und kann mathematisch als logarithmische Funktion darge-stellt werden. Weber und Fechner konnten durch diese indirekte Meßmethode eine überraschend klare Beziehung zwischen den physikalischen Merkmalen des Reizes (zum Beispiel dem Gewicht) und dessen subjektivem Emp1nden (zum Beispiel der Schwere) empirisch nachweisen.98 Vergleichbar sind auch Untersuchungen zur Tastschärfe der menschlichen Haut.Zwei Druckpunkte etwa werden erst ab einem bestimmten Abstand als voneinan-der getrennt wahrgenommen (Zwei-Punkte-Diskriminationsschwelle). Nur ein Be-96 Riegas/Vetter 1990b: 13.97 Ebd.98 Riegas 1990: 103.