70 Beobachtungen der Realität – vom Konstruktivismus zur Medientheorie obachter des Geschehens kann zwei Druckpunkte feststellen, die Erlebniswirklich-keit der Versuchsperson hingegen sieht anders aus. Ihre epikritische Sensibilität lässt sie nur einen Druckpunkt spüren. Wie in den angesprochenen Versuchen der Feststellung einer Gewichtsdifferenz gibt es auch bei der Tastschärfe intersubjektive,verallgemeinerbare Messwerte, die einen stabilen Zusammenhang zwischen physikalischen Merkmalen und subjektiver Erfahrung nahe legen und so auf eine Korrelation zwischen physikalischem Reiz und Erkenntnis – durchaus im Sinne ei-ner vom Reiz ausgehenden Information – hinweisen.Die Wirkung von Umweltreizen scheint also nicht nur » perturbierend « auf das Nervensystem zu wirken, sondern die subjektive Emp1ndungsstärke einer Reizintensität weist eine Entsprechung mit der physikalischen Bestimmung des Reizmerkmals auf. Daher erscheint mir die Feststellung berechtigt, daß es möglich ist, elementare Emp1ndungen in einen Zusammenhang mit den Strukturmerkmalen der auslösenden Reize zu bringen. Zumindest gilt dies für eine Reihe elementarer Emp1ndungsqualitäten, die sich gut mit physikali-schen Messungen der Reize korrelieren lassen.99 Solch elementare Emp1ndungsqualitäten würden einem erkennenden System eine Reaktion oder Emp1ndung tendenziell also vorschreiben, wohingegen nach Ma-turana strukturdeterminierte Systeme selbst die Reaktion auf den physikalischen Reiz bestimmen würden. Riegas stellt fest, dass die genannten Versuchsergebnisse der Psychophysik schließen lassen, dass […] Emp1ndungen und Wahrnehmungen durch die Wirkungen subjektunab-hängiger Reize auf das Nervensystem zustande kommen. Dies würde das Ner-vensystem als ein offenes System erscheinen lassen, das bei Stimulationen zu reizadäquaten Reaktion veranlasst wird.100 Die Versuche lassen zwei Feststellungen zu, die der Geschlossenheitsthese zunächst entgegen zu stehen scheinen. Eine Regelmäßigkeit des Reizemp1ndens wäre schon bei einer einzelnen Versuchsperson nicht zu erwarten, wobei Regelmäßigkeit hier zunächst lediglich bedeutet, dass sich ein physikalischer Wert der molekularen Welt in eine bestimmte Richtung ändert und eine spezielle Emp1ndung ebenso regelmä-ßig darauf reagiert. Von einem System, dass sich die Reaktion auf einen Stimulus nicht vorschreiben lässt, ist Regelmäßigkeit allerdings zunächst nicht zu erwarten.Zudem ist diese regelmäßige Emp1ndungsveränderung offenbar intersubjektiv,denn die Einheiten der Veränderung im Reizemp1nden sind bei den Versuchsperso-nen nahezu konstant gewesen. Systeme, die lediglich gestört, also perturbiert wer-den, sollten unterschiedlich auf gleiche Reize reagieren. Wenn unsere Reaktionen auf strukturelle Veränderungen des Milieus also regelmäßig, sogar intersubjektiv re-gelmäßig sind, lässt dies, wie Riegas es im obigen Zitat feststellt, den Schluss zu, ein 99 Ebd.: 104.100 Ebd.: 104 f.