3.4 Humberto Maturana 71 Reiz schriebe dem Subjekt durch seine Struktur eine bestimmte Emp1ndung vor.Wahrnehmung wäre somit im Sinne einer Passung am Objekt orientiert. Zu beachten ist, dass es in dieser speziellen Diskussion keineswegs darum geht, dass die Emp1n-dung der Schwere dem Reiz immanent wäre. Schwere oder Leichtigkeit kann es außer-halb des erkennenden Subjekts offensichtlich nicht geben. Die konstruktive Natur der Reizemp1ndung im Hinblick auf Emp1ndungsqualitäten (Gewicht, Schmerz,Klang, etc.) bliebe selbst dann unangetastet, wenn man korrelative Verbindungen von Reiz und Erkenntnis in dem hier beschriebenen Rahmen annehmen würde. Es ändert sich ein physikalischer Wert über eine bestimmte Grenze hinaus, und in Fol-ge ändert sich eine dezidierte Emp1ndung des Individuums.3.4.6 Strukturdeterminiertheit und strukturelle Kopplung In der bis hier ausgeführten Darstellung von Maturanas Konzeptionen fehlt bislang ein Mechanismus, der diese Übereinstimmungen und Regelmäßigkeiten der phäno-menalen Welt, der Wirklichkeit, erklärt. Als Naturwissenschaftler, der seine Theorie nicht auf Aussagen über die ontische Welt aufbaut, sondern von der Erkenntnis, von der Erfahrung ausgeht, und mit ihr Erfahrung erklärt, muss er die Ergebnisse der Experimente von Fechner und Weber akzeptieren, dies tut er im Gespräch mit Rie-gas ganz ausdrücklich auch.101 Ich denke, daß man immer eine Korrelation zwischen einem Stimulus und der Reaktion eines Organismus 1nden kann. Denn der Organismus be1ndet sich in einem Zustand der strukturellen Übereinstimmung mit dem Medium, und jeder Eingriff bewirkt eine Störung des Mediums.102 Diese strukturelle Übereinstimmung ist Voraussetzung für den Erhalt der Autopoi-ese, trotzdem operiert das Nervensystem nur mit internen neuronalen Aktivitäten,die Resultate auf Perturbationen von außen werden ausschließlich durch interne Strukturen bestimmt.Der Versuch, die Wahrnehmungsfrage im gewöhnlichen Sinne abzuhandeln,nämlich als das Aufnehmen der Merkmale der Umwelt, scheitert daran, daß wir strukturdeterminierte Lebewesen sind. Das Medium kann strukturelle Ver-änderungen in uns lediglich auslösen, die Veränderungen selbst werden aber durch unsere Struktur festgelegt. Die korrelative Übereinstimmung, die bei-spielsweise durch das Fechnersche Gesetz beschrieben wird, ist das Resultat der gemeinsamen Geschichte von Medium und Organismus.103 Mit der Feststellung, dass eine Reaktion auf eine Störung immer nur vom System selbst bestimmt wird und niemals von außen instruiert werden kann, stößt man auf den nächsten wichtigen Begriff in Maturanas Konzeptionen. Da die Struktur eines 101 Riegas/Vetter 1990b: 56.102 Ebd.103 Riegas/Vetter 1990b: 57.