72 Beobachtungen der Realität – vom Konstruktivismus zur Medientheorie Systems über die Reaktion auf eine Perturbation entscheidet, werden diese Systeme von Maturana als strukturdeterminiert bezeichnet:Die Erfahrung von jedem Ding « da draußen » wird auf eine spezi1sche Weise durch die menschliche Struktur kon1guriert, welche « das Ding » , das in der Be-schreibung entsteht, erst möglich macht. Diese Zirkularität, diese Verkettung von Handlung und Erfahrung, diese Untrennbarkeit einer bestimmten Art zu sein von der Art, wie die Welt uns erscheint, sagt uns, daß jeder Akt des Erken-nens eine Welt hervorbringt.104 Medium und Organismus be1nden sich demnach in einem Prozess der Synchroni-sierung, in dem das Medium Veränderungen bewirken, aber nicht vorschreiben kann. Dabei muss eine Form der Übereinstimmung zwischen Umfeld und Individu-um herrschen, ein Mechanismus, der Resultat der phylogenetischen und ontogene-tischen Entwicklung der Lebewesen ist, denn die Welt stellt sich in vielerlei Hinsicht als Welt mit Regelmäßigkeiten dar. Da diese Effektivität menschlicher Erkenntnis nicht bestritten werden kann, muss ein Erklärungsmechanismus jenseits eines blo-ßen Repräsentationalismus gefunden werden, wie Maturana selbst feststellt:Wenn das Nervensystem nicht mit einer Repräsentation der umliegenden Welt operiert – und nicht operieren kann -, wie entsteht dann die außerordentliche operationale Effektivität des Menschen und der Tiere sowie ihre enorme Fähig-keit zum Lernen und zum Manipulieren der Welt? Wenn wir die Objektivität einer erkennbaren Welt negieren, führt uns das nicht ins Chaos völliger Will-kürlichkeit, da dann alles möglich ist?105 Der Mechanismus, der in Maturanas und Varelas Konzeptionen die von uns täglich erlebte Regelmäßigkeit der Erlebniswelt herstellt und eine völlige Willkürlichkeit der Erkenntnis nicht aufkommen lässt, wird von ihnen strukturelle Kopplung ge-nannt.Das Medium kann ein strukturell plastisches System nur stören und eine Zu-standsveränderung auslösen, die es nicht spezi1ziert. Unter diesen Umständen wirken sich die Störungen durch das Medium als Selektoren der strukturellen Wandlungen der gestörten Einheit aus; und die Abfolge von Störungen, die das Medium in der Geschichte der Interaktionen einer gegebenen Einheit aus-löst, wirkt als Selektor der Abfolge oder des Verlaufs struktureller Veränderun-gen, der die Einheit in dieser Geschichte folgt. Daraus resultiert die Einrich-tung einer strukturellen Übereinstimmung zwischen der jeweiligen Einheit und dem Medium, in dem sie operiert, die einem Beobachter als Anpassung oder strukturelle Kopplung erscheint.106 104 Maturana/Varela 2005: 31.105 Ebd.: 146.106 Maturana 1987: 102.