3.4 Humberto Maturana 75 Lehrer festgelegt hatten, und nur im Hinblick auf deren Festlegungen ihrer je-weiligen Referenzsituation.113 In seiner Auseinandersetzung mit den Thesen Maturanas, vor allem der Geschlos-senheitsthese, macht Volker Riegas auf einen Aspekt aufmerksam, der für ihn ge-wissermaßen zwischen skeptischem Realismus und neurobiologisch-konstruktivis-tischen Perspektiven vermittelt.Die subjektiv sichtbaren Farben entstehen aber keineswegs aus beliebigen Rei-zungen oder gar ohne Reizung der Rezeptorneuronen. Immer ist eine physika-lisch bestimmbare Größe an diesen Prozessen beteiligt. Maturanas Befund, daß sich keine lineare Korrelation zwischen Reizmerkmalen des Lichtes und Gan-glienzellaktivitäten errechnen läßt, beweist also nicht, daß das Nervensystem » geschlossen « ist. Es wird lediglich deutlich, daß die Zusammenhänge zwi-schen Reizmerkmalen und Ganglien-Zellaktivitäten nicht als lineare Korrela-tionen beschreibbar sind.114 Die Reizinterpretation ist nach Riegas demnächst also nicht-objektiv und könnte auch als » konstruiert « bezeichnet werden. Die entscheidende Frage lautet für ihn je-doch, ob überhaupt ein Zusammenhang zwischen physikalischen Einfüssen und Wahrnehmung zu beobachten ist. Dies trifft für Riegas durchaus zu, auch wenn sich die Zusammenhänge nicht als simple Korrelationen darstellen. Die Herausstellung dieses Umstands, die Ablehnung der bloßen Abbildungsfunktion der Erkenntnis,bleibt für ihn dann auch die eigentliche Leistung in Maturanas Werk:Maturana zeigt, daß viele naiv-realistische Annahmen über die Prozesse der Wahrnehmung, Kommunikation, Informationsaufnahme oder gar Textver-ständnis scheitern müssen, weil die subjektiven und konstruktiven Anteile des Erkenntnisprozesses nicht berücksichtigt werden.115 Maturanas Thesen sind an verschiedenen Stellen durchaus problematisch und auf-grund des starken biologistischen Einschlags nur bedingt für eine medientheoreti-sche Auseinandersetzung geeignet. Sie stellen insgesamt jedoch einen wichtigen Schritt hin zur Entwicklung komplexerer systemisch-differenztheoretischer Er-kenntnistheorien dar, wie sie etwa von S. J. Schmidt oder Niklas Luhmann entwi-ckelt wurden und im weiteren Verlauf auch medienfokussiert eingesetzt können.3.5 Francisco Varela Geht es um das Konzept der Autopoiese und systemisch-neurobiologischen Kon-struktivismus, liegt der Schwerpunkt der öffentlichen Wahrnehmung bei Francisco Varelas Forschungskollegen Humberto Maturana. Dieser veröffentlichte ungleich 113 Maturana 1987: 108.114 Riegas 1990: 107 f.115 Ebd.: 114.