3.5 Francisco Varela 77 Dieser Versuch eines mittleren Erkenntniswegs sieht also eine Form der Korrespon-denz zwischen Subjekt und Objekt vor, die Varela aber nicht realistisch verstanden wissen will, um dem abendländischen Dualismus Ich und Welt nicht das Wort zu re-den. Weder gibt es auf der einen Seite ein Subjekt, das sich seine Wirklichkeit auf ge-wünschte Weise konstruieren kann, noch gibt es ein Objekt, das Erkenntnis determi-nieren könnte. Der Mittelweg ist dabei die Entwicklung eines » nicht-realistischen Symbolismus « . Obwohl Varela das Konzept der symbolischen Repräsentation der Außenwelt als vorschnelle Gleichsetzung von Gehirn und Computer versteht,machte er in einem Gespräch mit Bernhard Pörksen deutlich, dass eine Auslegung von Kognition als Symbolverarbeitung gleichwohl nicht zwingend realistisch ver-standen werden müsse. Vertreter einer solchen Theorie der Symbolverarbeitung im Gehirn gehen für Varela zunächst davon aus,[…] dass die Beziehung zwischen dem kognitiven System und der Welt eine Beziehung der semantischen Repräsentation sei: Der Geist verarbeite Symbole,die Eigenschaften der Welt in einer bestimmten Weise repräsentieren. Auch dieser Gedanke einer fundamentalen semantischen Korrespondenz zwischen Symbol und Welt ist auf eine Weise interpretierbar, die nicht unbedingt realis-tisch sein muss.120 Diese Übernahme der Idee des Symbolismus, auch wenn er nicht realistisch verstan-den werden soll, kann als Konzession an den Realismus gedeutet werden, wie er auch schon bei Maturana zu 1nden ist.3.5.1 Das Hervorbringen einer Welt Die Repräsentation der Welt in Symbolen steht strukturell dem Modell der Hervor-bringung einer Welt entgegen, denn dieses sieht weder eine bloße symbolische Ab-bildung (symbolische Verarbeitung) einer Welt, noch eine blinde Konstruktion von innen nach außen vor, sondern ein Entstehen von stabilen Mustern in wechselsei-tiger Abhängigkeit von Erkennendem und Erkanntem. Kognition erscheint als das Hervorbringen einer Welt: Die Bedeutung von etwas begreift man nun nicht mehr als das Ergebnis einer Korrespondenz von einem Objekt und seinem Symbol, sondern sie lässt sich als die Entstehung von stabi-len Eindrücken und Mustern – Invarianten – verstehen.121 Diese Herausbildung von Invarianten ist eine Ko-Konstruktion von Subjekt und Objekt, die im Erkenntnisprozess unaufösbar miteinander verschmelzen, weshalb Varela diese beiden philosophisch aufgeladenen Begriffe nur ungern benutzt. Beide stehen für ihn in wechselseitiger Abhängigkeit.120 Ebd.: 115.121 Ebd.: 116.