96 Beobachtungen der Realität – vom Konstruktivismus zur Medientheorie Es gibt offensichtliche, wenngleich oberfächliche Ähnlichkeiten der Medien-theorien Marshall McLuhans und dem im Folgenden noch näher erläuterten sys-temtheoretischen Medienbegriff:1.Während in der Systemtheorie ein Medium nie an sich beobachtbar ist, son-dern immer nur Formenbildungen innerhalb dieses Mediums, bleibt das » ei-gentliche « Medium selbst auch bei McLuhan im Gebrauch unsichtbar.2.Formenansammlungen eines Mediums bilden immer auch wieder ein weite-res, sodann verschachteltes Medium. Das (hörbare) Frequenzspektrum etwa ist Medium für Lautbildungen, diese wiederum sind als Menge lose gekop-pelter Elemente das Medium für die Form Wort. Die These, dass ein Medium immer ein anderes Medium beinhaltet, ist einer der Hauptsätze in McLuhans Werk.Mersch schreibt zur » medialen Verschachtelung « bei McLuhan:Das bedeutet zunächst, dass Medienkulturen sich selbst gebären und fortschrei-ben, dass sich Medien ineinander verschränken und wechselseitig interpretie-ren, um sich Stufe um Stufe zu höheren Komplexitäten aufzutürmen. Der Inhalt eines Computers kann danach z. B. ein Film sein, der Inhalt des Films ein Ro-man, der Inhalt des Romans die Schrift usw.173 In vieler Hinsicht wird eine Neuentdeckung von McLuhans Werk gefordert, etwa im Sammelband McLuhan neu lesen (Kerckhove/Leeker/Schmidt 2008), in dem McLuhan als Orakel des technischen Zeitalters auch für eine Analyse des Internet und seiner momentan hervortretenden diskursiven Struktur (Web2.0) herangezogen wird.Im Zeichen der ›digital revolution‹, heißt es, werden seine Aussagen zur ›elec-tronic revolution‹ erst vollends treffen; erst das World Wide Web realisiert end-gültig das » Global Village « ; sein MediaLog, wie es im Grunde all seine Schriften waren, nahm schon vorweg, was heute mit den WebLogs im Web 2.0 gang und gäbe geworden ist: Digital McLuhan, wie Paul Levinson 1999 titelte.174 3.10.1 McLuhan und » die Realität « Die » Frage nach der Realität « wird bei McLuhan nicht im eigentlichen Sinne ge-stellt, da philosophisch tradierte Kardinalunterscheidungen, wie hier mit Mersch bereits festgestellt wurde, weitgehend aufgehoben sind. Unter den neuen Technik-philosophen ist Vilém Flusser, für den Realität letztlich eine Frage der (Bild-)Aufö-sung darstellte, in dieser Hinsicht ergiebiger. Bei McLuhan 1nden sich nur wenige Überlegungen, die als tatsächliche Epistemologie im Sinne einer » Medienontologie « verstanden werden könnten. Dass für ihn Medien nicht einfach eine Welt abbilden,173 Mersch 2006: 116.174 Dotzler 2008: 121.