3.11 Medien der Systemtheorie 113 durch Formenbildung (Wellen) innerhalb des Mediums entstehen. Die vormals un-formierten Moleküle bilden Schwingungen, Regelmäßigkeiten, nehmen eine Form an, die als solche erst ein hörbares Element darstellt. Da Luhmann sich für Kommu-nikationen innerhalb sozialer Systeme interessierte, wandelte er Ding in Form und generalisierte damit, ähnlich der Adaption des Autopoiesisbegriffs bei Maturana,das Prinzip Heiders, um es für seine Konzeptionen nutzbar zu machen. Luhmann schreibt zu den epistemologischen Implikationen dieser Leitdifferenz in Die Kunst der Gesellschaft:Mit der Unterscheidung Medium/Form wird eine andere Ausgangsdifferenz vorgeschlagen, die das dingontologische Konzept ersetzen, das heißt: überfüs-sig machen soll.213 Im operativ-systemischen Konstruktivismus sollen demnach ontologische Dualis-men wie Sein/Schein oder Subjekt/Objekt vermieden und in operative Differenzen wie System/Umwelt oder Medium/Form transferiert werden. Mit der Einführung der letztgenannten Leitdifferenz wird demnach nicht nur eine weitere Medientheo-rie vorgeschlagen, sondern vielmehr eine ganze Epistemologie mitgeführt, die als Resultat eine Verschachtelung von Differenzen zum Resultat hat (durchaus mit auf-zeigbarer Nähe zum Mediumbegriff bei McLuhan, bei dem ein Medium stets ein an-ders Medium beinhaltet). So ist etwa ein Satz eine Form, die im Medium der Worte gebildet wird. Es wird außerdem deutlich, dass ein Medium nicht aus unbestimm-baren Elementen besteht, sondern aus durchaus de1nierbaren Formen (hier Worte),die selbst wiederum in ein feineres Medium eingebettet sind; eine Form kann damit Medium für weitere Formen darstellen, sowie ein Medium Form für ein weiteres Medium sein kann. Anders gesagt: auf beiden Seiten der Unterscheidung wird die jeweils andere Unterscheidungsseite wieder eingeführt.214 Um beim wohl häu1gs-ten Beispiel zu bleiben: wenn wie beschrieben ein Satz eine Formbildung im Medi-um der Gesamtheit der Worte darstellt, so kann ein Wort als eine Form im Medium der Laute gelten, Laute wiederum sind Formenbildungen im Medium der Ge-räusche.215 Medium und Form bestehen somit zwar aus den gleichen Elementen, das Medi-um ist jedoch lose gekoppelt, bleibt an sich unsichtbar und kann in diesem Sinne auch als die Summe der möglichen Formbildungen, der » Horizont anderer Mög-lichkeiten der Form « 216 bezeichnet werden. Hier liegt der von Luhmann oft benutz-te Verweis auf die Unterscheidung Aktualität/Potenzialität nahe. Die Form als an-schlussfähige Aktualität steht dem Horizont aller möglichen Formen als Potenziali-tät oder Virtualität gegenüber. Es zeigt sich, dass ein Medium nicht einfach vom er-kennenden System genutzt wird, als wären beide völlig losgelöst voneinander und würden auch ohne den jeweils anderen bestehen können. Die Differenz von Medi-213 Luhmann 1995: 166.214 Was in einer paradoxalen Fundierung endet.215 Khurana 2004: 102.216 Khurana 2004: 102.