114 Beobachtungen der Realität – vom Konstruktivismus zur Medientheorie um und Form wird jedoch vielmehr vom System aus gesetzt und hat keine Entspre-chung in der Außenwelt. Unterscheidungen von Medien und Formen werden von Beobachtern gemacht, um die Komplexität der Außenwelt zu reduzieren und dem erkennenden System einen Umgang mit ihr zu ermöglichen. Ohne Medien, besser gesagt: ohne Formbildungen innerhalb eines Mediums, könnte der Organismus nicht mit der Welt umgehen. Alles, was der Mensch wahrnehmen kann, ist demnach medial vermittelt und wird durch Formen wahrgenommen. Niklas Luhmanns Medientheorie wird damit zur Medienepistemologie. Zur Veranschaulichung noch einmal Elena Esposito:Zum Beispiel wird die Kompaktheit und Undifferenziertheit des Lautkontinu-ums (als unverfügbares externes Datum) in den Elementen aufgelöst, welche die Einheiten der Sprache aufbauen (Wörter und dann Sätze), die als Einheit nur dann existieren, wenn es ein sie unterscheidendes System gibt. Sie stellen also die Unbestimmtheit der Umwelt in einer Form dar, mit der das System umgehen kann, indem es die Elemente auf verschiedene Weisen rekombiniert,um die Wörter der Sprache aufzubauen.217 Unsere alltäglichen und allgegenwärtigen Erfahrungen mit Medien sind in situ Er-fahrungen mit Formen. Sybille Krämer hält zur Unbeobachtbarkeit des Mediums an sich fest:Wir hören nicht Luftschwingungen, sondern den Klang der Glocke; wir lesen nicht Buchstaben, sondern eine Geschichte; wir tauschen im Gespräch nicht Laute aus, sondern Meinungen und Überzeugungen, und der Kino1lm läßt ge-wöhnlich die Projektionsfäche vergessen.218 In operational geschlossenen, Sinn verwendenden Systemen, also Kommunikations-und Bewusstseinssystemen, ist die Rolle des Prozessierens von Formen innerhalb ei-nes Mediums konstitutiv. Die Medium/Form-Differenz ist somit neben der Über-nahme des anschließenden Autopoiesiskonzepts von Humberto Maturana der Kern der de-ontologisierten Weltsicht der Systemtheorie. In diesem Sinne kennzeichnet Thomas Khurana diese Leitunterscheidung als » die Artikulationsform des Systems selbst – die Weise seiner Selbstkonstitution « .219 Lambert Wiesing stellt die bereits eingangs dargelegte Problematik der infatio-nären Tendenzen verschiedener Medienbegriffe, etwa auch eines technikorientierten Medienbegriffs bei Marshall McLuhan, heraus. Im Hinblick auf Luhmanns Medien-begriff konstatiert er ähnliches:Also ganz anders als bei McLuhan leistet bei Luhmann ein Medium selbst nichts und ist daher auch kein Teil einer Botschaft. Medien selbst können über -haupt nicht gegenwärtig und greifbar sein, denn sie sind immer nur eine Mög-217 Esposito 2008: 117.218 Krämer 1998: 74.219 Khurana 2004: 104 f.