4 Beobachtungen der Virtualität – vom Cyberspace zum virtuellen Instrument Der Begriff » Virtuelle Realität « (VR) ist, was den aktuellen Stand der Debatten an-geht, bei weitem weniger allgegenwärtig als in den 1990er Jahren. Dies hat zum einen mit dem Aufkommen anderer Formen der Virtualität, wie etwa der augmented reality oder dem Kommunikationsmedium Internet, zu tun. Andererseits hat, wie weiter unten ausgeführt, die VR eine thematische Ausweitung und Aufweichung erfahren. Bezeichnete sie zunächst ein klar umrissenes Setting aus Technologie, das durch sukzessiven Austausch der Informationen unserer Sinne eine komplett ab-weichende und durchweg immersive Realität schaffen sollte, steht VR heute für eine Ansammlung disparater Anwendungen, die keiner Datenhelme oder Daten-handschuhe als Interfaces bedürfen. So werden mittlerweile auch virtuelle Gemein-schaften als Virtuelle Realität bezeichnet, genau wie die metaphorischen Schreib-tische oder Desktops der allgegenwärtigen Personal Computer.Es gilt, wie bereits dargestellt, sich den etablierten Begriffichkeiten zu stellen,auch wenn sie, wie die beiden prominenten Begriffe Virtuelle Realität und Cyberspace,aus der Cyber-Industrie oder der Science-Fiction-Literatur stammen und deshalb im wissenschaftlichen Kontext bei etwas genauerer Betrachtung Widersprüche offen le-gen. Wissenschaftliche Literatur zum Thema bewegt sich bisweilen zu sehr entlang den Vorgaben konventionalisierter Begriffe, macht streckenweise die Termini selbst zum Gegenstand ihrer Untersuchungen und verliert mit einer zu strengen Fokussie-rung auf Begriffichkeiten das eigentliche Phänomen aus den Augen, es besteht also mitunter durchaus die Gefahr, die sprichwörtliche Landschaft mit der Landkarte zu verwechseln. Wenngleich die Durchsetzung einer Umbenennung utopisch er-scheint, müssen Forderungen nach alternativen Bezeichnungen ernst genommen werden, wichtig ist jedoch zunächst die Vermeidung ontologischer Implikationen,nicht die Vermeidung von Begriffichkeiten. Insgesamt erscheint es somit sinnvoller,die Anwendungen und Dispositive, also die verwendeten Medientechniken selbst –nicht ihre Bezeichnungen – zu betrachten, als durch etymologische Deutungsversu-che eine doch irgendwie richtige Lesart des Oxymorons Virtuelle Realität zu 1nden.Obwohl die Namensgebung schon recht früh kritisiert wurde, gab es nur wenige Versuche der Umbenennung. Claude Cadoz führte hier die Bezeichnung » integrale Repräsentation « an und konstatierte im gleichen Satz bereits die Aussichtslosigkeit eines Umbenennungsverfahrens 1 angesichts der geheimnisvollen und somit letzt-lich für die Einführung eines neuen Technologie- und Industriezweigs durchaus treffenden Wortschöpfung. Benjamin Jörissen bemerkt hierzu:1 Cadoz 1998:11.