4.2 De1nitionsversuche: Virtuell 127 in diesem Sinne und würde in der Wirklichkeit verschwinden. Mit anderen Worten:Die Verwendung eines virtuellen Instruments wäre unmöglich, denn diese würde eine Aktualisierung des Klangerzeugers, eine Verschiebung von » potenziell « nach » aktuell « , zur Folge haben, das Instrument wäre nicht länger virtuell, es wäre effek-tiv und wirksam in der Lebenswelt des Instrumentalisten vorhanden. Schon die blo-ße Darstellung eines Software-Instruments auf einem Bildschirm hätte im Grunde Virtualitätseinbußen zur Folge, denn in einem solchen Falle ist das Instrument durch den Monitor in interpretierbare Signale gewandelt worden. Software in diesem Sin-ne hätte zwei Modi, einen virtuellen, aber dann könnte sie nicht benutzt werden, so-wie einen aktuellen, aber dann würde sie ihre Virtualität verlieren.4.2.3 Was im Realen an Kraft steckt Claude Cadoz verfolgt eine stärker etymologisch geprägte Annäherung. Er ver-merkt zur Virtualität und in Folge insbesondere zur folgenden Verknüpfung beider Begriffe zum Oxymoron:Sicherlich sind » virtuell « und » real « ganz genau genommen keine Gegensätze.Das Virtuelle, vom Lateinischen virtus (» Tugend, Kraft « ), ist das, was im Rea-len an Kraft steckt, was in sich alle notwendigen Bedingungen zu seiner eige-nen Verwirklichung trägt – aber was kann dann wohl mit einer Realität ge-meint sein, die in sich alle Voraussetzungen zu ihrer Verwirklichung trägt? Un-ter diesem Aspekt betrachtet, ist der Begriff noch unsinniger.29 Auch hier 1ndet sich der Verweis auf das Kriterium der » Erfüllung der Bedingung zur Verwirklichung « . Diese Formulierung führt auf die Spur des Potenziellen, des Scheinbaren und muss aus oben aufgeführten Gründen abgelehnt werden. Das Vir-tuelle könnte hier darüber hinaus, so ließe sich weiterführend schließen, als Kraft,als Wirkung der Dinge, mit denen wir umgehen und nur umgehen können, verste-hen. Virtuell wäre das, was wir überhaupt wahrzunehmen in der Lage sind, was sich sozusagen von der Realität ablöst und für uns Relevanz (qua Wirkung) hat.Dies rückt das Virtuelle in die Nähe der Wirklichkeit nach Glasersfeld und stellt es in Kontrast zur – ewig unerkannten – Realität. Das Virtuelle wäre das beherrschba-re, das wahrnehmbare Kondensat eines Dings. Dies ist für die Herausbildung von Spezi1ka zur Erklärung der Virtualität aber ungeeignet, denn dann wäre » alles vir-tuell « und gleichzeitig nichts, denn wenn alles bezeichnet ist, ist es von nichts unter-schieden.4.2.4 Virtuelle Wirksamkeit Johannes Fromme stellt das oft zitierte Kriterium der » Erfüllung aller Bedingungen der Realisierung « als Beschreibung für das Virtuelle mit Recht in Frage, insbesonde-re die daraus resultierende Gleichstellung mit dem Möglichen oder Potenziellen.30 29 Cadoz 1998: 8.30 Vgl. Fromme 2008.