128 Beobachtungen der Virtualität – vom Cyberspace zum virtuellen Instrument Hier beruft er sich auf Charles S. Peirce, dessen De1nition von » virtuell « folgender-maßen lautet:A virtual X (where X is a common noun) is something, not an X, which has the ef1ciency (virtus ) of an X. This is the proper meaning of the word; but it has been seriously confounded with » potential « , which is almost its contrary. For the potential X is of the nature of X, but is without actual ef1ciency.31 Etwas Virtuelles hat demnach die gleiche Kraft oder Wirkung inne wie etwas Ande-res; etwas Potentielles hat hingegen keine Wirksamkeit. Auch der » digitale Schein « ist etwas, das zwar den Anschein eines X, aber nicht dessen Wirksamkeit hat. Es ist darüber hinaus wenig Ziel führend – in grundsätzlicher Anerkennung ihres Funk-tionierens – virtuelle Objekte als » operativer Schein « 32 zu kennzeichnen und so –wie beispielsweise Bernd Wingert in einem Interview vorschlägt – neue Oxymora zu schaffen. Ein virtueller Klangerzeuger ist als klingender und insofern interakti-ver Bestandteil moderner Instrumente nicht etwas Potenzielles (ohne Wirksamkeit),sondern vielmehr tatsächlich wirksam und aktualisiert, wenn man die traditionelle Unterscheidung von actualitas/potentialis heranzieht. Auch Niklas Luhmann weist darauf hin, dass man zwischen den Formen des Möglichen oder Kontingenten und Formen der Virtualität unterscheiden muss, da letztere durch den Zusatzfaktor der Kraft oder des Könnens bestimmt sind 33 und somit eine besondere virtus zu identi-1zieren ist.Fromme weist in Folge darauf hin, dass das X in Peircescher De1nition nicht in einem ontologischen Sinne als vermeintlich realer, ontologischer Gegenstand ver-standen werden, X und virtuelles X fungieren vielmehr – ganz im Sinne einer de-on-tologisierten Erkenntnistheorie – als Begriffe, die ein bestimmtes Verhältnis zweier Modi der Realität beschreiben, » denn X fungiert im obigen Zitat als allgemeiner Re-lationsbegriff und nicht als Platzhalter für einen (im ontologischen Sinne) ›realen‹Gegenstand.« 34 Anders formuliert: Der Bezugspunkt X wird nicht einer ›ursprünglichen‹Wirklichkeit zugeordnet, sondern kann verschiedenen Erfahrungswelten ange-hören. Das Virtuelle wird also nicht kategorial von einem Realen abgegrenzt,sondern relational in einem plural gedachten Gefüge von Welten bestimmt.35 Mike Sandbothe schreibt, ganz ähnlich gelagert, zur Beobachterperspektive der Un-terscheidung real/virtuell:31 Peirce 1903: 763. Eine deutsche Übersetzung 1ndet sich in: Peirce, Charles S. (1967): Schriften 1: Zur Entstehung des Pragmatismus. Mit einer Einführung herausgegeben von Karl-Otto Apel. Frankfurt am Main: Suhrkamp.32 Baumann 2000: 352.33 Luhmann 2008b: 280.34 Fromme 2008: 182.35 Fromme 2008: 182.