130 Beobachtungen der Virtualität – vom Cyberspace zum virtuellen Instrument Dualismus virtuell/physisch und streicht zugleich die Unzulässigkeit der Entge-gensetzung von » virtuell « und » real « heraus:Virtualität spezi1ziert also eine gedachte oder über ihre Eigenschaften konkre-tisierte Entität, die zwar nicht physisch, aber doch in ihrer Funktionalität oder Wirkung vorhanden ist. Somit ist » virtuell « nicht das Gegenteil von » real « –obwohl es fälschlicherweise oft so verwendet wird – sondern von » physisch « .38 Realität wird über das Funktionieren, die Wirksamkeit einer Entität hergestellt. Ein virtualisiertes X muss im Sinne einer kohärenztheoretischen Erkenntnistheorie Funktionalität oder Wirkung beweisen, dann kann es durchaus als » real « gelten. Im Rückgriff auf Peirces De1nition muss einschränkend gesagt werden, dass der Dua-lismus physisch/virtuell nur als ein spezieller Fall der Virtualisierung gesehen wer-den muss. Was hier virtualisiert wird, ist die Welt der Basismedien unserer Wahr-nehmung, die Welt der physikalischen Körper. Es besteht die Gefahr, hier einen on-tologischen Dualismus zwischen » realem Körper « und » virtuellem Körper « aufzu-spannen. Doch die Basismedien unserer Erkenntnis dürfen nicht ontologisch als Ab-bildungsmedien der Realität verstanden werden, auch die Virtualisierung von physikalischen Körpern bildet lediglich ein Refexionsverhältnis zwischen virtuel-lem und physischem Körper aus. Die physische Welt ist lediglich ein weiterer Mo-dus der Realität, der im Vergleich mit anderen Modi referenzialisiert werden muss.4.3 Von der virtuellen zur erweiterten Realität Die Prägung des Terminus virtual reality beansprucht der Software-Entwickler Jaron Lanier, Mitgründer der VR-Firma VPL Research, die VR-Hard- und Software her-stellte, für sich. Laut Grundbegriffe der Medientheorie von Roesler und Stiegler wird der Begriff von Lanier auf der SIGGRAPH-Konferenz in Boston 1989 eingeführt.39 Lanier, der sich auf seiner Homepage 40 zwar als (Computer-)Wissenschaftler und nebenbei auch als Musiker präsentiert, hatte 1986 mit VPL (Virtual Programming Languages) Research den ersten kommerziellen Datenhandschuh entwickelt. VPL Research ging 1993 in Konkurs, die Rechte wurden von Sun Microsystems übernom-men. VR-Technologie und die damit verbundenen populärsten Begriffichkeiten wurden also von Industrie und Science-Fiction-Literatur (der Begriff » Cyberspace « entstammt wie beschrieben den Romanen William Gibsons) eingeführt und verbrei-tet. Um sie publik zu machen, brauchten sie eine gewisse Grif1gkeit, einen auch medientauglichen Einschlag, de1nitorisch eindeutige Termini waren hier sicherlich nicht gefragt. 38 http://de.wikipedia.org/wiki/Virtualität, Zugriff am 9.12.2009.39 Roesler/Stiegler 2005: 244.40 http://www.jaronlanier.com/, Zugriff am 13.6.2008.