142 Beobachtungen der Virtualität – vom Cyberspace zum virtuellen Instrument Konstrukt ist, dass an sich, auch mit den » angeborenen Erkenntnisinstrumenten « ,immer unerkannt bleibt. Der Begriff » virtuelle Realität « stützt im Grunde also ten-denziell einen – gleichwohl versteckten – realistischen Dualismus, denn er weist darauf hin, dass es vielleicht doch noch eine tatsächliche, wirkliche Realität gebe,die außerhalb der Bildschirmwelten zu 1nden sei.Im Grunde ist jedoch seit dem Beginn der theoretischen Auseinandersetzung mit virtuellen Realitäten nach anderen als der augenscheinlich problematischen Unter-scheidung virtuell/real gesucht worden. Allein die Vielzahl der Realitäts-, bezie-hungsweise Wirklichkeitsbegriffe, wie sie von Wolfgang Welsch anschaulich zusam-mengetragen wurden,66 lässt den einen Gegenpol zur virtuellen Realität, der eben nicht nur die Kraft oder Tugend (virtus) der Wirklichkeit besitzt, sondern diese auch tatsächlich ist, in Pluralität verschwimmen. Eine Idee der Präzisierung ist die hier bereits dargestellte Idee verschiedener Räume, die allein durch Gibsons Idee des Cy-berspace von Anfang an eine wichtige Rolle spielte. Dabei wurde das weltweite Computernetz mitunter als » Seelen-Raum « konzipiert, der in einer digitalen Wie-derholung des cartesianischen Dualismus die Überwindung des vergänglichen Kör-pers ankündigte.67 Andere Konzepte sahen im digitalen Medium die Wiederholung bekannter Strukturen der » Realität « , was gewissermaßen zu ihrer » Verdopplung « geführt hat:Mit dem Ziehen dieser Grenze entstand gewissermaßen eine zweite Gesell -schaft neben der ersten. Alles, was es bisher schon gab, wurde durch den Zu-satz » virtuell « verdoppelt. Von virtuellen Erlebnissen und Erfahrungen in virtu-ellen Welten ist ebenso die Rede wie von der Entstehung einer virtuellen Wirt-schaft, von virtuellen Unternehmen, virtuellen Gemeinschaften, virtuellen Städten und virtuellen Räumen.68 Auch in der Medienpädagogik sind Tendenzen erkennbar, digitale Virtualität und insbesondere das Internet als Formung des Raums, etwa als » Bildungsraum « zu be-trachten.69 In jedem Falle ist die Vorstellung, einen bestimmten, die digitalen Virtua-litäten kontrastierenden Raum zu 1nden, ebenso utopisch wie die Suche nach der einen kontrastierenden Realität. Dies zeigen etwa Margaret Wertheims Ausführun-gen pluralistischer und veränderlicher Raumkonzepte in Die Himmelstür zum Cyber-space. Vielmehr führt die Idee verschiedener, kontingenter Spaces, die Raum als übergeordnetes Prinzip und nicht mehr in erster Linie ontisch-gegenständlich ver-steht, auf eine Spur, die virtuelle Wirklichkeiten von anderen unterscheidbar hält und trotzdem Verweise aus einer Welt in eine andere zulässt.Mit der beschriebenen Nichterfüllung der Prophezeiungen der VR im engen Sin-ne, die umfassende und immersive virtuelle Räume skizzierte und somit die radika-66 Welsch 1998.67 Wertheim 2002: 3 f.68 Schroer 2003: 218.69 Siehe Titel der Podiumsdiskussion auf dem » Educamp « der Universität Hamburg vom 6.2.2010 http://blogs.epb.uni-hamburg.de/educamp/2009/12/15/podiumsdiskussion-das-internet-ein-bil-dungsraum/, Zugriff am 14.4.2010.