144 Beobachtungen der Virtualität – vom Cyberspace zum virtuellen Instrument Zweitens ist unser Zugang zur Welt hiernach immer schon kulturell – zum Beispiel sprachlich – vermittelt. Diesen Aspekt der » Vorkonstruiertheit « der Welt wurde von Dirk Baecker zum Anlass genommen, festzustellen, dass trotz der Konstruiertheit jeglicher Erkenntnis niemand seine eigene Welt völlig frei konstruieren könne, da er sich in einer immer schon konstruierten, prä-kon1gurierten Welt vor1ndet.74 Drit-tens sind auch Leiblichkeit oder » direkte « Sinnlichkeit begrenzende Zugänge zur Welt. Wir hören nur einen begrenzten Frequenzumfang und nehmen nur diejenigen Frequenzbänder gut wahr, die für uns wichtig sind, und nicht einmal dies scheint zuverlässig zu funktionieren. Fromme verweist hier etwa auf Beck,75 der auf unsere Blindheit gegenüber Risiken der Gegenwart wie Radioaktivität oder chemischen Giften hinwies. Auch mit unseren Bordmitteln der Erkenntnis, also gewissermaßen rein sinnlich, ist die Welt damit nicht so zu erfassen, wie sie wirklich ist. Viertens zeigt die in vorigen Kapiteln ausgeführte Epistemologie der Systemtheorie, dass selbst diese kleinen Ausschnitte wahrnehmbarer Außenwelt nicht als Input verstan-den werden können, da dieser Bereich des Inputs sensorischer Neurone im Ver-gleich zur internen Verarbeitung der Interneurone einen verschwindend geringen Anteil besitzt. Visuelle Wahrnehmung als Bordmittel des erkennenden Systems hat keinen direkten Zugang zur Außenwelt, sondern operiert immer nur mit internen Zuständen. Niklas Luhmann stellt in diesem Sinne fest, dass Wahrnehmung mit der » natürlichen Ausrüstung « des Menschen als ein Fall unter mehreren gelten muss:Der Name » Virtual reality « begünstigt den Irrtum, daß es trotzdem noch eine wirkliche Realität gebe, die mit der natürlichen Ausrüstung des Menschen zu erfassen sei, während es längst schon darum geht, diese natürliche Ausrüstung als nur einen Fall unter vielen möglichen zu erweisen.76 Außerdem bemerkt Luhmann in diesem Zusammenhang den bereits mehrfach an-gedeuteten tendenziösen Realismus, den der Begriff virtual reality mit sich führt.Wenn die Erkenntnis der menschlichen Standardausführung keinen privilegierten Status erhält, sondern nur als ein vermittelter Fall unter vielen vermittelten Fällen gesehen wird, liegt hier auch der Ursprung eines grundsätzlich nachvollziehbar ent-grenzten Medienbegriffs, wie er zu Beginn der Arbeit beschrieben wurde und mit Johannes Fromme noch einmal angedeutet wird:Wenn ein unmittelbarer Zugang zur Welt an sich nicht möglich ist, dann ist un-ser Verhältnis zur Welt in gewisser Hinsicht immer schon medial vermittelt. So gesehen können die Sinnesorgane wie auch die Sprache – und die darin 1xier-ten Anschauungsweisen von der Welt – als Medien bezeichnet werden.77 Wenn einer Entgrenzung in dieser Hinsicht also tendenziell zugestimmt werden muss, braucht es im Gegenzug eine strikte Taxonomie, wie die von Sandbothe vor-74 Baecker 2008: 60 f.75 Beck 1986.76 Luhmann 1995: 243.77 Fromme 2008: 174.