4.5 Der Realraum 147 bungssystem » Physik « , das alle physikalisch beschreibbaren Phänomene beinhaltet,ist systemisch betrachtet eine Form der Realitätsverdopplung und kann insofern nicht für sich beanspruchen, den Dualismus real/virtuell insgesamt mit dem Dua-lismus physikalisch/virtuell zu überschreiben. Gleichwohl ist » physikalisch « im vorliegenden Sinn durchaus ein spezi1sches Beschreibungssystem, das für virtuelle Welten nicht gilt. Michael Harenberg skizziert, was dies für virtuelle Klangerzeuger bedeutet:So kann eine virtuelle Trompete oder eine virtuelle Saite aus Glas oder Beton bestehen, sie kann beliebig dick, lang oder verknotet gestaltet werden, solange Resultate im hörbaren Bereich produziert werden. Außerdem gehorchen virtu-elle Instrumente zwar simulierten physikalischen Gesetzen, diese müssen al-lerdings nicht unbedingt auch unserer Realwelt entsprechen.87 Während sich der Dualismus physikalisch/virtuell also in diesem Sinne als durch-aus differenziertere Unterscheidung als real/virtuell erweist, bleibt es problema-tisch, eine Welt » hinter « dem Bildschirm erfassen zu wollen, wie Wertheim dies ver-sucht:In einem tieferen Sinne ist dieser neue digitale Raum » jenseits « des von der Physik eingenommenen Raums, denn der kybernetische Bereich besteht nicht aus Teilchen und Kräften, sondern aus Bits und Bytes. Diese Datenpakete sind die ontologische Grundlage des Cyberspace, die Saat, aus der das globale Phä-nomen hervorgeht.88 Die Vermutung, Bits und Bytes seien die Ontologie virtueller Welten, ist der etwas hilfose Versuch, hinter der Oberfäche der Pixel, dem » digitalen Schein « , ein grund-legendes » Sein « zu vermuten, das diesen Cyberspace ontologisch determiniert. Hin-ter die Oberfäche virtueller Welten blicken zu wollen, entspringt der strukturell noch dualistischen Haltung, die auch physikalisch nicht innerhalb unseres Erfah-rungsbereichs lokalisiert, sondern als Austauschbegriff für das Reale benutzt und in eine Welt da draußen projiziert.Wenngleich die Transformation vom globalen und unspezi1schen » real « hin zum differenzierteren » physisch « oder » physikalisch « zunächst den durchaus wich-tigen Hinweis beinhaltet, dass es bei den im Themenfeld untersuchten Phänomenen um Unterscheidungen von Formbildungen des Raumes und damit um virtuelle Kör-per geht, bleibt zusammenfassend gesagt eine strukturelle Ontologisierung einer Unterscheidungsseite erhalten. Letztlich bleibt somit auch der Dualismus physika-lisch/virtuell unterkomplex, da der Rekurs auf physikalische Phänomene Virtuali-tät nur einem speziellen Setting der Wirklichkeitsverdopplung gegenüber stellt.Wenn physische und physikalische Räume als unterschiedliche Raumkonzepte ver-standen werden und somit durchaus beide virtuellen Räumen kontrastiert werden 87 Harenberg 2003: 91 88 Wertheim 2002: 248 f.