168 Angewandte Neue Instrumentenkunde medien wurden dominant, wie etwa das zunächst noch klanglich unterlegene Grammophon oder etwas später das Radio, der Lichtton im Film oder die Schall-platte, » neue « Medien, die im Unterschied zum Musikautomaten eben Original-klänge, z. B. von Sängern wie Enrico Caruso, konservieren und wiedergeben konn-ten. Trotz des langsamen Verschwindens der Welte-Pianos blieb ihre Technologie er-halten. Sie wurde nicht einfach durch Medien wie Radio, Plattenspieler oder Musik-kassette ersetzt, sondern erfuhr einen Transformationsprozess, der interessante und überraschende Einsichten sogar in die aktuelle Musik- und Instrumentenkultur ge-währt, wie Rolf Großmann darlegt:Die Vorstellung eines Klavierkonzerts, dessen Solist ein Automat ist, der wie-derum von einem künstlerischen Operator kontrolliert wird, scheint uns heute weit entfernt zu sein. Drummachines, Arpeggiatoren, Begleitautomaten oder Live-Sequenzing führen jedoch genau diese Praxis fort.26 Das » Prinzip Musikautomat « , so wird deutlich, ist als solches nicht an herkömmli-che Instrumente oder physisch-mechanische Vorrichtungen gebunden. Als Techno-logie sind die Musikautomaten auch in der aktuellen Instrumentenkultur weit ver -breitet. Wie schon Großmann, kennzeichnet auch Michael Harenberg die vielgestal-tigen Softwareanwendungen als die rezenten Musikautomaten:Sie imitieren in digitaler Perfektion, können aber auch neue, unerhörte Klänge erzeugen; abhängig von ihrer Programmierung laufen sie vollautomatisch; be-liebige Lautstärken, Tonhöhen, Tonsysteme und Tempi lassen sich auf Knopf-druck erzeugen; die Vereinfachung der digitalen Oberfächen ermöglichen ein Arbeiten nach dem » Trial-and-Error « Verfahren, eine spezielle Ausbildung ist immer weniger notwendig; der zum Operator mutierte Organist ist endgültig Herr über – technisch simuliert, klanglich real – Raum und Zeit; der Traum ei-nes Universalinstruments scheint sich in der Software unserer digitalen Uni-versal-Maschinen zu realisieren.27 Die Abkopplung der Klänge von der Physis und die Loslösung von einer direkten motorischen Aktion der Instrumentalisten widerspricht, wie Rolf Großmann fest-stellt, grundsätzlich unseren intuitiven Vorstellungen von Musikinstrumenten.Großmann schreibt in diesem Zusammenhang vom Zugriff auf eine » halbfertige Musik « ,28 die im Speicher vorgefertigt und somit nur noch begrenzt veränderbar ist.Während die Crowds auf den verschiedenen Floors der Clubs und Diskotheken diese neue Aufführungspraxis offenbar ganz natürlich aufnehmen, scheint es im Themen-feld noch an wissenschaftlicher Rahmung und Auseinandersetzung zu mangeln.26 Großmann 2010: 189.27 Harenberg 1999: 17.28 Großmann 2010: 186.