202 Angewandte Neue Instrumentenkunde nach wie vor virtuelle Seite des modularen Gesamtsystems Reactable dabei unterbe-tont, denn im Grunde steht der Reactable exemplarisch die gelungene Kopplung physischer und virtueller Körper, die Derealisierungsbefürchtungen gar nicht erst aufkommen lassen. Insofern bestätigt der Reactable die These des einen, medial ge-dachten Raums, der nur über virtuelle oder physische Formen zugänglich ist und im Falle des Reactable durch eine Kombination aus beiden zum multimodalen In-strument der Musikproduktion zusammengesetzt werden kann.5.4.4 Tablet-PCs: Triviale Instrumente – Mapping als Differenz?Aktuell kann ein grundsätzlicher Wandel der allgemein verfügbaren Computertech-nologie beobachtet werden, zunehmend werden Desktop-Systeme und sogar die be-reits mobilen Notebooks massenhaft durch sogenannte Tablet-PCs und Smartpho-nes mit Touchscreen-Devices ersetzt. Handhabbarkeit, Portabilität und funkbasierte und damit allgegenwärtige Netzanbindung haben erheblich an Bedeutung gewon-nen. Angesichts ihrer mittlerweile fächendeckenden Verfügbarkeit und der anfangs mit Michael Harenberg getroffenen Feststellung, dass neue Technologien immer auch Entwicklungen neuer Musikinstrumente induzieren, ist in diesem Bereich eine Veränderung instrumentaler Praxis zu erwarten. Die Modularisierung des Musikin-struments, die resultierende wahrnehmbare Teilung in Interface und Klangerzeuger,wird durch die Medialität dieser neuen Geräte eingeholt und deren Effekten unter-worfen. Die kultur- und medienwissenschaftliche Konferenz » Hyperkult « des Insti-tuts für Kultur und Ästhetik digitaler Medien (ICAM) an der Leuphana Universität Lüneburg thematisierte 2011 die Entwicklung von Geräten mit berührungsemp1nd-lichen Bildschirmen unter der Prämisse der Trivialisierung:Es geht wieder ganz einfach zu, viel simpler, als wir es am PC je akzeptieren würden. Trivialisierte Nutzer betatschen glücklich, was sie vom Monitor zu verlangen gelernt haben. Haptik ersetzt Optik und Intellekt, als ob wir für den Verlust des Materiellen entschädigt werden müssten, den uns die Computer beschert haben.89 Dabei ermöglicht erst die technische Komplexität eine Entscheidung für Trivialisie-rung. Der paradoxe Aspekt, dass erwünschte Trivialisierung nur mit zunehmender Komplexität der verschiedenen Bauteile und ebenso komplexen Programmierfunk-tionen einhergeht, muss dabei stets mitgeführt werden. Trivialisierung ist nur unter der Voraussetzung zunehmender Komplexität zu erreichen.Dabei ist Trivialisierung alles andere als trivial. Programmierung bleibt eine Tätigkeit zwischen Kunst und Magie, und hier sehen wir neue Höhepunkte dieser Fertigkeiten, vor denen ein Erblassen in Ehrfurcht nicht verkehrt wäre.90 89 http://mms.uni-hamburg.de/2011/02/04/7-7-9-7-2011-hyperkult-20-« trivialisierung » /, Zugriff am 15.4.2011.90 http://www.leuphana.de/institute/icam/forschung-projekte/hyperkult/hyperkult-20.html, Zugriff