206 Angewandte Neue Instrumentenkunde face 1nden können und müssen. Die » eigentlichen « Operationen auf den Platinen sind nur mittelbar zu beobachten.Interessant sind dabei vor allem jene Effekte, die eine Umsetzung von Musikin-strumenten auf Geräten mit berührungsemp1ndlichen Bildschirmen mit sich bringt.Die Medialität der Apps und die Invisibilisierung des Touchscreens im Gebrauch le-gen eine Identi1kation von Programm und Instrument auf einer gewissermaßen phänomenologischen Ebene nahe – sie sind die » Native Instruments « der Tablet–PCs. Die medialen Verschränkungen der Tablets zeigen so einerseits, dass das In-strument im Zeitalter digitaler Virtualität immer in einem größeren technischen Zu-sammenhang gesehen werden kann, dass es als Beobachtung letztlich jedoch diese Zusammenhänge ausblendet – das Medium erfüllt dann seine Funktion am besten,wenn es unsichtbar bleibt.5.5 De-ontologisierte Instrumentenkunde In seinem Beitrag zum Sammelband Klang (ohne) Körper: Spuren und Potenziale des Körpers in der elektronischen Musik schreibt Rolf Großmann über Veränderungen, die das Musikinstrument im Zuge der Musikinstrumentalisierung der Reproduktions-medien durchlaufen hat und fordert die Loslösung von der letztlich dingorientier-ten und insofern ontologischen Perspektive, etwas könne an sich ein (oder eben kein)Instrument sein. Dies betrifft zunächst alle herkömmlichen Klassi1zierungen von Instrumenten nach Klangerzeugungs- oder Spielweisen. Vielmehr noch zielt es je-doch auf die Praktiken der gegenwärtigen Medienkultur, in der Plattenspieler, Syn-thesizer, Sequenzer und Computer als Medieninstrumente in Erscheinung treten. Die-se neue Aufführungskultur setzt kulturpessimistischen Befürchtungen vor einem Verlust der » Aura des musikalischen Ritus « 98 Aufführungen neuer technikkulturel-ler Kon1gurationen entgegen, die eine Transformation ästhetisch-kultureller Praxis,und nicht den Verlust letztlich ontologisch bis holistisch gedachter Musikkultur oder gar des Instruments selbst, bedeuten:Zu den auratischen Gegenständen dieser neuen Aufführungskultur gehören –wie in der traditionellen Praxis auch – entsprechend die neuen Instrumente der Performance: statt Violine, Klarinette oder E-Gitarre erscheinen Platten-spieler, Synthesizer und Sampler als Medieninstrumente.99 Die Wahrnehmung dieser neuen auratischen Instrumente hat laut Großmann mit Erwartungen und Zuschreibungen zu tun, dies betrifft insbesondere etwa im Be-reich der Klangerzeugung. Schon, wenn vom Programm als Klangerzeuger oder In-strument die Rede ist, ist dies eine solche Zuschreibung, die mit den » tatsächlichen « technischen Zusammenhängen nicht viel zu tun hat, da schon die frühen elektroni-schen Instrumente (wie in Abschnitt 5.1.2 über Elektrophone bereits festgestellt) kei-ne unmittelbar hörbaren Klänge erzeugten. Ihre Spannungsverläufe können nicht 98 Großmann 2010: 192.99 Großmann 2010: 192.