216 Fazit und Ausblick realen « oder » scheinbaren « Wirklichkeit, die einer » wirklichen « Wirklichkeit/Reali-tät gegenüberstünde, ist allerdings schon vielfach kritisiert und thematisiert wor-den, nicht nur, aber auch und gerade in den aktuellen Medienwissenschaften, die zunehmend weniger von einer Angst vor dem Verschwinden der Realität angesichts der Verbreitung virtueller Welten geprägt sind. Diese hier mit Jörissen als » Dereali-sierungsangst « bezeichnete, strukturell kulturpessimistische Haltung wird insbe-sondere in historischer Perspektive als ästhetische Strategie deutlich, die sich regel-mäßig entlang von gravierenden Medienumbrüchen zeigt.Wie dargestellt werden konnte, ist VR nicht von vornherein als Oxymoron ver-standen worden und galt zunächst als Bezeichnung für digitale, immersive Welt-Szenarien, die sich nur mit Hilfe aufwändiger Interfaces realisieren ließen. VR war als multimodale, digitale Raumform geplant, die Informationen der alltäglichen Umwelt blockieren und durch künstlich induzierte Reize ersetzen sollte – die mo-mentan tatsächlich angewandten Formen der Virtualität sind von einer immersiven virtuellen Realität allerdings weit entfernt. Im Laufe der Zeit wurden so auch ande-re, nicht immersive Formbildungen im digitalen Medium als virtuelle Realität be-zeichnet, etwa die textbasierten, virtuellen Gemeinschaften der MUDs. Diese Auf-weichung eines Begriffes, der zunächst für ein klar umrissenes Setting von Techno-logie stand, führte zu einer letztlich problematisch indifferenten Verwendung von » Virtualität « und » virtuelle Realität « , während das Oxymoron vor allem durch die oftmals anzutreffende Gleichsetzung von » virtuell « mit » scheinbar « oder » möglich « sowie den Glauben an nur genau eine Realität entsteht. Eine etymologische Heran-gehensweise an einen Begriff, der aus der Cyber-Industrie stammt, erscheint allein aus diesem Grund wenig sinnvoll, das Oxymoron VR lässt sich so nicht aufösen.Trotzdem zeigt der Verweis auf die Begriffsgeschichte des Virtuellen (wie hier mit Peirce geschehen), dass die Idee vom » digitalen Schein « zurückzuweisen ist.Während ein scheinbares X zwar den Anschein eines X, nicht jedoch dessen Kraft/Wirksamkeit besitzt, de1niert sich ein virtuelles X genau über diese Wirksam-keit/Kraft/virtus. Virtualität ist also durch den Zusatzfaktor der Kraft beziehungs-weise des Könnens bestimmt und muss deshalb von den Formen des bloß Mögli-chen oder Kontingenten unterschieden werden.Alternative Beschreibungssysteme zielen auf den Grad an Immersion ab, die bei den jeweiligen Anwendungen anzutreffen sind. Ähnlich wie Johannes Fromme ar-gumentiert hier etwa Lev Manovich, der mit seinen Arbeiten, insbesondere der Idee des augmented space, dazu beigetragen hat, dass sich der begriffiche Diskurs von der problematischen virtuellen Realität hin zu einer Diskussion des Raums verschoben hat. Die verschiedenen Formen digitaler Virtualität können am Grad der Immersion voneinander unterschieden werden, gelten zunächst jedoch alle als Erweiterungen des physikalischen Raums (hier offenbart sich schon rein begriffich die Nähe zum Cyberspace der Science-Fiction-Romane William Gibsons). Parallel entsteht eine Ver-schiebung des Dualismus real/virtuell hin zum Dualismus physikalisch/virtuell,der zwar problematische Verweise auf » reale « Objekte oder Räume zu vermeiden sucht, in letzter Konsequenz jedoch auch nicht durchzuhalten ist, da die Physik hier