218 Fazit und Ausblick ren. Auf dem Weg zu einem handhabbaren Werkzeug zur Verortung digitaler Vir-tualität wurde in diesem Sinne die Idee des » augmented space « , wie sie bei Lev Ma-novich zu 1nden ist, aufgegriffen und ausgeweitet, beziehungsweise in einen um-fassender konzipierten, namentlich systemtheoretischen, Raumbegriff transformiert,der Raum als universelles Instrument zur Messung und Errechnung von Objekten versteht. Die Anwendung der Medium/Form-Distinktion der Systemtheorie auf das Konzept des Raums erscheint hier als ein gangbarer Weg, verschiedene Räume auf der einen Seite unterscheidbar zu halten, auf der anderen Seite aber die konstrukti-ve Natur aller Erkenntnis, auch des immer schon medialen Raums, der nur über Formbildungen wahrnehmbar ist, konsequent zur Anwendung zu bringen und hierarchische Strukturen, wie auch normative Dualismen, zu dekonstruieren. Raum entsteht im Umgang mit seinen Formen (Objekten) – er ist als Medium nicht an sich wahrnehmbar, sondern wird auf der » Rückseite « der Operation mit Formen mitge-führt und gleichsam synthetisiert. Es ist somit zunächst festzustellen, dass es keinen » natürlichen « Raum gibt, der den » künstlichen « virtuellen Räumen kontrastiert werden könnte: diese Unterscheidung bleibt eine weitgehend künstliche 4 : Raum als Werkzeug zur Messung von Objekten ist nicht erweiter- oder teilbar und erfordert immer schon eine Syntheseleistung – anhand welcher Formen auch immer. Techni-sche Verbreitungsmedien wie Bildschirm oder Lautsprecher sind Interfaces, an de-nen diese Synthese durch Überschneidung von Formen gesteuert werden kann, die Schnittstelle selbst wird dabei unsichtbar gemacht und der Beobachtung entzogen.5 Wenn Raum als Ordnungsprinzip jedoch nicht teil- oder erweiterbar ist, wie kommt dann die Idee eines mehr oder weniger hermetisch gedachten Cyberspace zustande? Hier kann vermutet werden, dass die Idee eines kybernetischen Raums notwendig wurde, um Konstellationen von Formen – » reale « und » virtuelle « – aus-einanderhalten zu können. Die Idee des Cyberspace entstand somit, um die physikalisch nicht zu beschreibenden, virtuellen Objekte zu bändigen, er ist nur in dieser Funktion sinnvoll. Dabei gibt es ihn ebenso wenig » wirklich « oder » an sich « ,wie man dies vom physikalischen Raum behaupten kann. Es wird verständlich,warum die Idee des Raums, beispielsweise im Zusammenhang mit dem augmented space bei Manovich, so interessant und weiterhin virulent bleibt, obwohl die immer-siven, dreidimensionalen VR-Verheißungen bereits ein Stück Cyber-Geschichte sind und auch William Gibsons Ursprungs-Cyberspace der Neuromancer-Romane nicht in dieser Form Realität wurde. Das immer schon mediale Prinzip Raum ist letztlich un-abhängig von physikalischen Beschreibungssystemen – und insofern durchaus ein benutzbares Werkzeug zur Beschreibung medialer Wirklichkeiten. So wird der vir-tuelle Raum als Medium der Cyberkörper verständlich und muss in pragmatischer Hinsicht auch nicht unbedingt verworfen oder umbenannt werden, denn » reale « und virtuelle Objekte sind sinnvoll voneinander zu trennen: trotz des gemeinsamen Ordnungsprinzips gelten für diese virtuellen Formen andere Regeln als für die drei-dimensional wahrgenommenen Objekte des » Real Life « – sie bleiben bis auf weite-4 Wie schon Michael Harenberg für den Kontext » natürliche « und » künstliche « Instrumente feststellte.5 Luhmann 2008b: 277.