2.6 Harmonik 73 Nach der effektvollen Entfernung von der ersten Stufe über die beiden terzverwand-ten Akkorde Bm und B [findet McCartney über eine II–V–I–Kadenz zurück zur Tonika.Neben der harmonischen wird auch die formbildende Kraft der Kadenz wieder deutlich,denn die Rückkehr zur Tonika markiert gleichzeitig den Beginn des neuen Formteils.Die Strophe ist harmonisch ganz ähnlich gebaut,nach der Entfernung von der Tonika (hier in einfachen Sekundschritten)kehrt McCartney über eine lange diato-nische Quintfallsequenz zur Tonika zurück.Die Sequenz durchmisst diesmal fast die ganze Oktave (die folgende Darstellung ist leicht verkürzt,um die Quintfallsequenz deutlicher hervortreten zu lassen):G Am Bm C F#m B7 Em Am D | G I II III IV VII III VI II V | I Die harmonische Bewegung beschreibt einen weiten Bogen.Dadurch,dass die Ak-korde im Quintabstand stehen,erscheint die Fortschreitung aber immer logisch.Wiederum bestätigt die Harmonik die Form,da die Rückkehr zur Tonika mit dem Beginn der Strophe zusammenfällt.2.6.3 Die Entwicklung nach Revolver 2.6.3.1 McCartney Quintfälle spielen weiterhin eine große Rolle in vielen McCartney-Songs,in Form der II–V–I–Kadenz bis hin zu umfangreicheren Dominantketten und vor allem lei-tereigenen Quintfallsequenzen:» When I’m Sixty-Four « ,» Lovely Rita « ,» Lady Ma-donna « ,» Honey Pie « ,» The Long And Winding Road « ,» Maxwell’s Silver Ham-mer « ,» You Never Give Me Your Money « ,» Carry That Weight « .Villinger sagt zu Recht:» ...die Liste der Songs,die auf dieser harmonischen Konstruktion basieren,lässt sich beinahe beliebig verlängern,...« (Villinger,86)Die beiden letztgenannten Songs,» You Never Give Me Your Money « und » Carry That Weight « ,wurden im Sommer 1969 für die LP Abbey Road aufgenommen und zeigen,wie weit McCartney die Technik des leitereigenen Quintfalls später perfektioniert hat.Er erstreckt sich in beiden Songs über die ganze Oktave.Am7 Dm7 G7 C Fmaj7 Bm7b5 E7 Am I IV VII III VI II V I Lange diatonische Quintfallsequenzen sind im Jazz nicht unüblich (z.B.» Autumn Leaves « ),und McCartney übernimmt hier ein weiteres Stilmerkmal des Jazz:Er benutzt leitereigene Vierklänge statt Dreiklänge,inklusive des halbverminderten Akkordes auf der zweiten Stufe,der in der Rock-und Popmusik weit weniger häufig verwendet wird.Diese Akkordfolge ist auf der einen Seite reichhaltig und farbig,auf der anderen Seite aber auch absolut logisch und zwingend:Dadurch,dass ausschließlich leiterei-gene Töne benutzt werden,geht der Bezug zur Tonika nie verloren.Zu jeder Zeit ist eindeutig klar,was die Tonika ist und in welcher Beziehung jeder Akkord zu ihr steht.