182 Zusammenfassung und Interpretation des Refrains zu nennen,die sich nicht an die üblichen zwei-oder viertaktigen Pe-rioden halten.Die unregelmäßige Struktur wird im Notenbild daran deutlich,dass mindestens ein 2/4-Takt eingeschoben werden muss.Dass z.B.Mellers (85)dabei eine völlig andere Takteinteilung wählt als andere Transkriptionen,zeigt,dass Len-nons Musik hier sogar bezüglich der Form (Wo hört das Intro auf,wo fängt die Strophe an?)nicht ganz leicht zu beschreiben und auf seltsame Art schwebend und uneindeutig ist.Besonders auffällig ist aber der Einschub eines 6/8-Taktes auf der Titelphra-se » Strawberry Fields forever « .Während übliche Taktwechsel wie z.B.vom 4/4-zum 3/4-Takt den Puls zwar anders gruppieren,aber in die regelmäßige Abfolge des Pulses nicht eingreifen,wird hier diese Regelmäßigkeit durchbrochen,indem das Metrum kurzfristig von Vierteln auf punktierte Viertel (bei gleichbleibenden Achteln)wechselt.Dass dieser Taktwechsel von einigen Transkriptionen –meiner Ansicht nach fälschlicherweise –als 3/4-Takt notiert wird,zeigt wiederum,dass die Frage danach,welche rhythmische Ebene hier als Puls oder als Unterteilung zu verstehen ist,ganz unterschiedlich beantwortet wird.Dass diese metrisch doch recht schwerwiegende Unregelmäßigkeit kaum als auf-fällig oder störend wahrgenommen wird,liegt daran,dass Lennon hier den natürli-chen Sprachfluss musikalisch richtig abbildet.Wiederum folgt also seine Musik dem zuvor verfassten Text,ordnet sich ihm unter.4.1.5 Harmonik Aus der Vielzahl der verwendeten harmonischen Phänomene eignet sich eins be-sonders,um die Unterschiede zwischen den beiden Komponisten zu verdeutlichen:der Quintfall.McCartney verwendet ihn häufig,erstens in der Form als Dominant-Tonika-Beziehung,die die Tonika stabil etabliert und den Song formal gliedert.Darüber-hinaus kann der Quintfall als harmonischer Bauplan dienen,der einen ganzen Song durchgehend bestimmt.McCartney benutzt lange diatonische Quintfallsequenzen,die nicht selten die ganze Oktave durchschreiten.Lennon hingegen verzichtet oft auf den Quintfall.Er schreibt sogar Songs,die ganz oder teilweise auf jeglichen Akkordwechsel verzichten und nur weite Klangflä-chen entfalten.Auch dort,wo er Akkordwechsel verwendet,handelt es sich manch-mal mehr um sich ablösende Klangflächen als tonal gebundene Fortschreitungen.Dadurch,dass sich seine Songs stellenweise kaum auf ein Zentrum beziehen lassen oder gleich mehrere tonale Zentren aufweisen,die aber durch fehlende Dominant-Tonika-Bestätigungen nicht eindeutig angesteuert werden,wirkt seine Musik oft seltsam uneindeutig und schwebend.Die Unterschiede werden an den Beispielsongs sehr deutlich.» Penny Lane « fußt auf einer II–V–I–Kadenz,der Standard-Kadenz des Jazz,eine eindeutige tonale Orientierung ist damit gewährleistet.Dass der Song zwischen zwei tonalen Zentren oszilliert,steht dem nicht etwa entgegen,sondern zeigt ganz besonders deutlich,wie McCartney durch jeweils eingefügte Zwischendominanten logisch zwingende,tonal und formal eindeutige Übergänge schafft.