3.2 Eine Typisierung der verschiedenen Spielmusiken 75 gering, verglichen mit den schneller aufeinander folgenden game states in Actions-pielen. Die Adaptivität auf technischer Ebene bedingt an dieser Stelle eher eine durch die jeweilige Musik assoziierte Stimmung als Affekt beim Spieler hervorru-fen, der z. B. innerhalb des Rollenspiels nach einem Abenteuer wieder in Sicherheit zu Hause speichern kann, neue Informationen sammeln kann, gewisse Items im Shop kauft o. ä.. Dafür können auch komponierte Leitmotive von Nutzen sein, wie Pidkameny für Final Fantasy III (Square, 1994) auf dem SNes erwähnt (Pidkameny 2002, o. S.).25 Adaptivität bei Fortschritt Die Technik, das Vorankommen des Spielers in der Fülle des Arrangements der Hintergrundmusik zu reflektieren, ist spätestens seit modernen Rhythm Action Ga-mes wie Amplitude oder Rez (Sega, 1999)26 eine diskutierte Anwendung von Musik in Computerspielen.27 Einige Spiele, die bereits in den 1980er Jahren ei-ne Abhängigkeit zwischen Spielfortschritt und Hintergrundmusik besitzen, werden hier vorgestellt. Die meisten Anwendungen sind dabei noch recht simpler Natur: Um die gewünschten Effekte als Spieler zu hören, muss dieser gut genug spielen, um in dem Spiel möglichst weit ohne Scheitern voranzukommen. So enthält das Spiel Aztec Challenge (Cosmi, 1984) auf dem Commodore C64 eine Hin-tergrundmusik (n036), die mit der Zeit immer weiter ausgeschmückt wird, wobei das Ergebnis nach heutigen Gesichtspunkten unspektakulär klingt, für damalige Verhältnisse aber ein außergewöhnliches Konzept darstellte.28 Neben dem sukzessiven Aufbau einer Hintergrundmusik durch Hinzufügen mu-sikalischer Elemente wird das Vorankommen in einem Spiel auch anders musika-lisch reflektiert. So verwendet das Spiel Carnival (Sega, 1980; n021) ähnlich wie das bereits erwähnte Space Invaders dafür die Technik der Tempo- und Tonhöhen-Steigerung. Bei Space Invaders nimmt die Geschwindigkeit des pul-sierenden Klangs dabei mit geringerer Entfernung der angreifenden Aliens zu, die 25 Das Spiel ist in Japan unter dem Titel Final Fantasy VI bekannt. 26 Bei Amplitude muss der Spieler bestimmte Elemente der jeweiligen Patterns durch zeit-lich exaktes, rhythmisches Drücken der Controllerknöpfe ›aktivieren‹. Rez ist ein sog. »Rail- Shooter«, bei dem der Spieler durch einen abstrakten, aus Drahtgitter-Modellen bestehenden Raum fliegt und mit dem Zeiger Gegner ›einloggen‹ muss, die danach effektvoll in ihre Po-lygone zerfallen und dabei jeweils eigene Soundeffekte ansteuern. Jedes der 5 Level im Spiel enthält 10 Sub-Level, die bei Erreichen das Arrangement des aus Techno-Musik bestehenden Soundtrack aufbauen. 27 Pidkameny geht v. a. auf den Punkt der synchronisierten Soundeffekte in Rez ausgiebiger ein, vernachlässigt aber den Aspekt der aufeinander folgenden Level der Musik. Für ihn ist die u. a. aus Cartoon-Filmen stammenden Technik des »Mickey Mousing«, die das zeitliche Zu-sammenfallen von Bildschirmgeschehen und Soundeffekten bezeichnet, bei Rez offensichtlich (vgl. Pidkameny 2002: o. S.). 28 Dieser Effekt führte zu einer großen Faszination, die noch heute in Äußerungen von damals aktiven Spielern über Spielmusik erhalten bleibt. Der Autor und Wissenschaftler Mathias Mertens z. B. spielte das Spiel mit zwei Schulfreunden vor allem der Musik wegen. So trafen sich die drei vor dem C64, wobei jeweils einer im Spiel vorankommen musste ohne zu versagen (da dadurch die Musik abgebrochen worden wäre), während die anderen beiden ›moschen‹ durften, also den Kopf rhythmisch hin und her bewegten. (persönliches Gespräch mit dem Autor, 26.08.2003)