88 Strategien der Gestaltung von Computerspielmusik für Soundchips der Fall ist. Auf Arcade-Boards werden schon früh mehrere Soundchips verbaut, um Soundeffekte und Musik gleichzeitig wiedergeben zu können, wie in den be-reits erwähnten Automaten Star Wars (Atari, 1983; 4 x Pokey), Bomb Jack (Tekhan, 1984; 3 x AY-38910) oder Mr. Do’s Castle (Universal, 1983; 3 x SN76496AN). Bei Computerspielsystemen mit nur einem integrierten Soundchip werden schon bald schnelle Schaltungen zwischen verschiedenen Klangeinstellungen vorgenom-men, um die limitierte Polyphonie zu umgehen: Nimmt der Hörer mehr Instru-mente wahr, als die verfügbaren Kanäle eigentlich bieten, ist dies auf eben diese Technik zurückzuführen, durch die in Pausen des einen musikalischen Elements auf dem gleichen Kanal ein anderes erklingt. Dieses grenzt sich dann durch Tonhöhe, Klangfarbe oder einen anderen musikalischen Sinnzusammenhang (als Teil eines anderen musikalischen Motivs) von dem ersten ab. Die Technik, durch Änderung von Klangparametern mehrere »Instrumente« auf einem technischen Kanal wiederzugeben, wird zum Beispiel verwendet, um gesamte Schlagzeugspuren (Bassdrum, Snaredrum, Hi-Hat) mit Bassspur auf einem Kanal wiederzugeben, wie Hülsbeck im Interview erläutert: »Später haben wir innerhalb [. . . ] eines Klangs die Wellenform geändert, also bestimmte Sachen aus- und eingeschaltet. Du konntest zum Beispiel ein Fra-me lang ein Rauschen anschalten und danach die Rechteckwelle, das hat dann einen perkussiveren Anschlag gegeben, als würde noch eine Drum mitspielen. Später war dass dann praktisch eine Sound Makro-Programmierung [. . . ]: In dem Augenblick, wo du eine Note anspielst, wird ein kleines Programm abgearbeitet, mit einer ganz simplen Befehlsstruktur. Dadurch konnte man die gesamten Klangparameter des SID-Chips beeinflussen. [. . . ] [Eine Technik die dadurch möglich wurde, basiert auf drei Bass-Sounds:] Einer war so pro-grammiert, dass er in der ersten halben Sekunde eine Art Bass-Drum spielt und danach dann sofort der Basston kommt. Das ging so schnell und war so effizient, dass man nicht mehr unterscheiden konnte zwischen dem normalen Bass-Sound und dem mit der Drum davor. Die sind auf eine Art verschmol-zen, weil das Gehör nicht schnell genug ist bzw. die Drum den Bass an der Stelle sowieso überdeckt hätte. Und genau so konnte man das mit einer kur-zen Snare Drum machen[, wie auch mit der Hi-Hat]. Auf diese Art konnte man Drum- und Bass-Spur auf einer Stimme realisieren.« (Hülsbeck 2005a). Ein anderer kompositorischer Trick zur Umgehung der Limitierung der verfügba-ren Polyphonie stellt das Verwenden schneller Arpeggien dar, die durch die Wahl von sehr kurzen Tondauern als Akkorde wahrgenommen werden. So benutzt Hüls-becks Hintergrundmusik von The Great Giana Sisters (Rainbow Arts, 1987; n049), neben der eben beschriebenen Technik der Drum- und Bass-Spur auf ei-nem Kanal auch eine durch schnelle Modulation des Lautstärke-Registers erzeugte Melodie-Stimme in dem eigentlich zwei-kanaligen Stück.50 Darüber hinaus finden die erwähnte quasi-Akkorde für die Reggae-Nachschläge des Themas Verwendung. Er selbst bemerkt zu dieser Technik: 50 Dieser Tweak, der zur Wiedergabe von 4 Bit-Samples auf dem C64 angewendet wird, be-einflusst die Wiedergabe der Klangkanäle des SID-Chips nicht, die trotz der Modulation des Lautstärke-Registers weiterhin deutlich wahrnehmbar bleiben (Hülsbeck 2005a).