90 Strategien der Gestaltung von Computerspielmusik für Soundchips behalten. Diese Technik führte jedoch zu musikalisch nur wenig überzeugenden Ergebnissen. Die limitierte Polyphonie hat zwei für Soundchip-Musik genrebildende Strategien der Gestaltung hervorgebracht, die auch auf ihre »Sound Culture« Einfluss nehmen: Die schnellen Arpeggien sowie die erwähnte Technik, die Musikroutinen zwischen verschiedenen Klangeinstellungen der Soundchips springen zu lassen, um auf einem technischen Kanal mehrere Stimmen des Arrangements in den jeweiligen Pausen abspielen zu lassen. Diese Strategien werden aufgrund ihrer Klangästhetik auch in der populären Soundchip-Musik (Kapitel 4) häufig aufgegriffen. 3.3.2 Limitierungen der Klangfarbe Bei der Vorstellung der verschiedenen Soundchips sind die Limitierungen der Klang-erzeugung bereits offensichtlich geworden. Diese ist bei den frühen PSGs auf Rau-schen und Rechteckwellen ohne weitere Manipulationsmöglichkeit beschränkt. Aus-nahmen stellen der SID sowie – mit Abstrichen – das Nintendo Entertainment System dar (vgl. Kap. 2.3.1 und 2.3.2). Erst mit Einführung der FM-Synthese und des Sampling in Arcade-Automaten und dem Commodore Amiga Mitte der 1980er Jahre ändert sich dies. So bietet das Atari VCS (Kap. 2.2.1) zwar 16 verschiedene Klangeinstellungen, die jedoch wenig Variation bieten, der Pokey Soundchip ist ebenso wie der SN76489 (Kap. 2.2.4) für seinen ›trockenen‹, wenig durchsetzungsfähigen Klang vor allem in den Basslagen bekannt. Die verglichen mit dem AY-Chip (Kap. 2.2.3) minderwer-tige Klanglichkeit der letzteren ist auch darauf zurückzuführen, dass die zur Verfü-gung stehenden Rechteckwellen keiner weiteren Manipulation unterworfen werden können, wie es der AY-Chip durch die mögliche Mischung von Rechteckwelle und Rauschanteil sowie der vorhandenen Möglichkeit einer rudimentären Gestaltung des Klangverlaufs bietet. Der MOS SID und die Klangerzeugung des Nes markieren einerseits den näch-sten historischen Schritt, andererseits zwei Pole der Klanglichkeit von Soundchips: Der SID klingt relativ hart und scharf, das Nes bietet weitaus rundere, weichere Klangfarben mit analogerem Charakter. Neben dem Sweep-Effekt, den vier einstell-baren Pulsbreiten und der Option, die Hüllkurve zu wiederholen, bietet es keine weiteren Möglichkeiten der Klangbearbeitung. Der SID dagegen ist ein einzigarti-ger Soundchip, der gegenüber den anderen durch das regelbare Filter, verschiedene wählbare Wellenformen pro Kanal, der Implementierung von ADSR-Hüllkurven sowie der Möglichkeit von Ringmodulation und Synchronisierung der Oszillatoren untereinander eine Vielzahl von Optionen der Klangmanipulation bietet, die weit über die Fähigkeiten der anderen Soundchips hinaus gehen. Vor allem die Möglich-keit der PulseWidth Modulation wurde häufig und gerne benutzt, diese Klangfarbe stellt eine Spezialität des SID-Chips dar, wie Hülsbeck erwähnt: »[. . . ] Auf dem C64 [. . . ] konnte man mit einem selbst programmierten Software-LFO die Pulsbreite modulieren. Das führte zu einem ziemlich fetten Sound aus einem Oszillator. Der klingt dann wie zwei oder drei gegeneinander verstimmte Sägezahn-Oszillatoren. [. . . ] Das war eigentlich der Haupt-Klang,