3.3 Strategien der Gestaltung im Spiegel der technischen Limitierungen 95 Implementierung von Musik wichtig waren. Ihr Code musste den Rest des Spiels unbeeinflusst lassen, ansonsten waren die Komponisten relativ frei von ästhetischen Ansprüchen.57 Ein Indiz für die damalige Haltung gegenüber Musik ist die häufige Verwendung von Adaptionen bekannten Liedguts in den frühen Spielen der 1980er Jahre wie zum Beispiel in den Automaten Frogger (Konami, 1981; n022) oder Carnival (Sega, 1980; n021).58 Pummell bemerkt im Interview: »[I]n all honesty, they [die Entwickler, N.D.] were happy to have music that didn’t crash. Or didn’t cause the system to slow down. [If it fits] in a few methods to initial requirements, then your music is wonderful because it works and it’s not embitting the other things [...]. That’s the first criteria« (Pummell 2005). Dass den Audio-Entwicklern neben dem geringen Speicherplatz auch nur ein be-stimmtes Maß an CPU-Last zugesprochen wird (»5% to audio, 95% is graphics«), ist für Pummell (ebd.) zwar bedauerlich, aber bei einem primär visuellen Medium wie den Computerspielen verständlich. Auch die für Computerspielsysteme überaus wichtige Zeilenwiederholfrequenz hat großen Einfluss auf die Musik für Soundchips. In den USA wie in Japan (NTSC-Norm) werden 60 Bilder pro Sekunde errechnet, in Europa (PAL-Norm) jedoch nur 50. Laut Warhol ist daher z. B. eine Tempo-Änderung relativ schwierig zu programmieren, da die Zeilenwiederholfrequenz von 50 bzw. 60 Hz den Rahmen für mögliche Änderungen des Tempos diktiert: »The games were all based on 60 Frames a second, I guess in Europe this would be 50? So there wasn’t a lot of resolution that allowed you to speed up a song or slow it down. Well, now I can probably think of some techniques where you’d use counters that were modified by the 60 Frames a second clock that you might be able to subtlety speed something up. But the timing between 8th notes and 16th notes wouldn’t be consistent just based on the fact that everything ultimately was timed to a 60th in a second. If you sped something up by 108 % or 106 % I think you might notice that some of the faster runs might not actually be on [time]« (Warhol 2005). Die Abhängigkeit der Musik vom Raster der Zeilenwiederholfrequenz ist aufgrund der entsprechenden Interrupts zu verstehen, da in Computerspielen in erster Linie die reibungslose, bildliche Darstellung von Wichtigkeit ist. Chris Hülsbeck bemerkt für die Programmierung auf dem C64: »Wenn meine Musikroutine am Laufen war, dann war da noch ein anderer Prozess im Gange, der sog. Interrupt [. . . ]. [M]eine Musikroutinen hatten nor-malerweise [ihren Platz]; zum Beispiel beim Raster-Rücklauf: Der Bildschirm 57 Ein Beispiel für die künstlerische Freiheit bietet das 16-minütige Stück zu Knuckle Busters (n023) von Rob Hubbard, das mit dem Spielgeschehen in keiner Weise adaptiv verbunden ist. 58 Das Spiel Frogger verwendet in der Hintergrundmusik unter anderem »Yankee Doodle« und »Camp Town Races«, die Hintergrundmusik von Carnival basiert auf dem populären Lied »The loveliest Night of the Year«. Viele andere Beispiele existieren, wie die Verwendung von »Louie Louie« (n055) in dem Spiel California Games (Epyx, 1987), von Rimsky- Korsakows »Hummelflug« in Buzz Bomber (Mattel, 1983) oder des Beatles-Songs »Lady Madonna« in Bomb Jack (n007b). Das Spiel Parodius verwendet viele berühmte Themen der klassischen Musik (vgl. Kapitel 3.5).